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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel658
gung der Rechtslage318 gestützte Forderung des Kaisers nach Restitution des
Markgrafen zu mißachten, überdies seine jurisdiktionelle Zuständigkeit zu be-
streiten und endlich die Kenntnisnahme des vom Reichshofrat 1561 in Abwe-
senheit zu seinen Ungunsten gefällten Urteils zu verweigern, indem der kaiser-
liche Überbringer kurzerhand ausgewiesen wurde319, wurde Ferdinand seine
faktische Machtlosigkeit in Italien sehr deutlich vor Augen geführt. Zudem
versuchten die Genuesen im Herbst 1561, an den Papst zu appellieren, worin
Ferdinand eine weitere Infragestellung der kaiserlichen Autorität erblickte.
Arco erhob sofort Einspruch, und Pius IV., der unmittelbar vor der Eröffnung
des Konzils keinen Konflikt mit dem Kaiser riskieren wollte, bewahrte „streng-
ste Zurückhaltung“320. Den sonst noch zu einer Intervention fähigen Herzögen
von Savoyen und von Florenz die Regelung zu überlassen, hielt Ferdinand für
unzuträglich, zumal letzterer um die Jahreswende einen andereren kleinen
Lehnsträger des Reiches, den Grafen von Pitigliano, bedrängte.
Nach der Brüskierung durch Genua wurde am Kaiserhof offen darüber ge-
sprochen, daß man zur Exekution des Urteils die Hilfe einer anderen Macht,
eben Spaniens, brauchte321. Um Philipp zur Übernahme zu bewegen, fertigte
Ferdinand im Oktober 1561 einen Sondergesandten an ihn ab322. Philipp hatte
den Kaiser zunächst darin bestärkt, die Sache ausschließlich als rechtliches Pro-
blem zu behandeln. Andererseits aber hat er anscheinend bei den Genuesen den
Eindruck erweckt, für eine politische Lösung aufgeschlossen zu sein; denn wäh-
rend das Verfahren lief, ließ er Ferdinand wissen, Genua habe ihn gebeten, sich
für sie zu verwenden323. Darüber hinaus glaubte er jetzt eine neue Chance zu
haben, das ihm 1558 vorenthaltene Reichsvikariat doch noch zu erlangen324. Es
sollte die Prämie für seine Unterstützung des Kaisers in der aktuellen Verlegen-
heit, aber auch bei der Lösung der Nachfolgefrage im Reich sein325. Im Unter-
schied zu 1558 bemühten sich Philipp und sein Gesandter bei Ferdinand dies-
mal fast ein Jahr.
Erst im Januar 1562 fand Graf Luna eine passende Gelegenheit. Als Ferdi-
nand ihn über die Besetzung Pitiglianos durch Truppen Cosimos von Florenz
informierte326, nutzte der Gesandte die Situation, um Ferdinand einen Vortrag
zu halten, in dem er neben die älteren Thesen über die Vorteile einer energi-
schen Handhabung des Reichsvikariats durch König Philipp den historischen
Nachweis stellte, die Einrichtung sei nichts Neues und dem Reich Abträgliches,
318 CDI 98, S. 112–126: F. an die Signoria Genua, 17.1.1560
319 Ich folge der Darstellung Ferdinands in einer Expertise für Philipp II. (HHStA Wien, Spanien,
Dipl. Korr. 6, fol 3–15: Undatiertes Konzept in deutscher Sprache, von späterer Archivarshand
einer Weisung v. 5.3.1562 an Ottavio Landi als Anlage zugeordnet).
320 Rill, Arco, S. 38; NB II 3, S. 37
321 VD 3, Nr. 96, S. 193ff: Bericht Soranzos v. 25.9.1561 über ein Gespräch mit Maximilian (zur
Sache S. 196f); CDI 98, S. 245f: Bericht Lunas v. 15.9.1561 über ein Gespräch mit Seld.
322 Edelmayer, S. 11 mit Nachweisen
323 CDI 98, S. 169: Philipp an F., 1.9.1560
324 Das ergibt sich aus Lunas Bericht v. 13.10.1561 (CDI 98, S. 246ff, hier S. 249f); vgl. Edelmayer,
S. 11.
325 Verknüpfung der beiden Punkte in Philipps Weisung an Luna v. 28.1.1562 (CDI 98, S. 284).
326 s. dazu unten S. 660
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien