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Beziehungen zu Frankreich 665
Die französische Politik nach Vaucelles war nicht dazu geeignet, Ferdinand
Vertrauen einzuflößen. Es verletzte jetzt ja besonders die Interessen der öster-
reichischen Linie, wenn einerseits die Bemühungen fortgesetzt wurden, führen-
de Reichsstände zu antihabsburgischer Politik mit dem Ziel eines Dynastie-
wechsels zu ermutigen382, gleichviel ob Heinrich II. selbst nach der deutschen
Krone strebte oder nicht. Darum konnten die andererseits wieder aufgenom-
menen Versuche zur Annäherung an Wien383 nicht überzeugen, zumal die In-
tention, die Meinungsverschiedenheiten in der Casa d’Austria zu vertiefen,
leicht zu durchschauen war. Als geeigneten Ansprechpartner erachtete man in
Frankreich König Maximilian, und Herzog Christoph von Württemberg half,
Unterredungen zwischen ihm und französischen Agenten zu arrangieren, als
der junge Habsburger, der natürlich keinerlei Vollmacht hatte, im Sommer 1556
von Brüssel nach Wien zurückreiste. Christophs Verhalten ist etwas undurch-
sichtig, denn einerseits förderte er diese Kontakte, andererseits aber warnte er
Ferdinand im September, als das Bündnis Frankreichs mit dem Papst bekannt
wurde, es sei gewiß, daß Heinrich II. nach der Kaiserkrone strebe384. Anschei-
nend meinte er, dessen Absicht könne am besten durch einen Freund-
schaftspakt zwischen Frankreich und dem Reich sowie den österreichischen
Habsburgern unschädlich gemacht werden, der Ferdinand zudem französische
Unterstützung sichern sollte, von den Osmanen bzw. Zapolya Ungarn zurück
zu bekommen; und recht unkritisch glaubte er, Heinrich II. werde als Preis für
des Reiches Neutralität die drei Bischofsstädte sowie die Herzogtümer Loth-
ringen und Savoyen herausgeben385.
Gegenüber anderen Gesprächspartnern soll Maximilian damals geäußert ha-
ben, er befürworte eine politische Allianz mit Frankreich, und er soll dabei
abfällige, ja feindselige Bemerkungen über seinen spanischen Vetter gemacht
haben386. Daß auch Ferdinand im Oktober 1556 den Gedanken an ein Bündnis
mit Frankreich und dem Papst gegen Spanien erwogen habe und die Rückkehr
des Nuntius Delfino nach Rom der Förderung dieses Projekts habe dienen
sollen387, ist unwahrscheinlich – es sei denn, man nimmt an, der König habe ein
Doppelspiel getrieben. Belege habsburgischer Provenienz gibt es dafür nicht.
Im November 1556 unterrichtete Ferdinand Philipp II., nach glaubwürdigen
Nachrichten werde eine französische Gesandtschaft beim Reichstag in Regens-
382 Pariset, Relations, S. 173; Lutz, Christianitas, S. 466f; Trefftz, S. 143ff
383 Goetz, Wahl, S. 22f; Lutz, Christianitas, S. 210f; Trefftz, S. 121ff
384 Christoph an F., 10.9.1556 (Or. in HHStA Wien, RK RTA 37, fol 46r-48v; Regest bei Ernst,
Bw. 4, S. 159f); schon zwei Wochen vorher hatte er solche „Zeitungen“ weitergeleitet (ebda, S.
139, Anm. zu Nr. 128).
385 Ernst Bw. 4, Nr. 159, S. 186ff: Eigenhändige Aufzeichnung Christophs über ein „Verständnis“
mit Frankreich
386 Holtzmann, S. 293 u. 300; Lutz, Christianitas, S. 480f. Die Nachricht von einem eigenhändigen
Brief Maximilians an Heinrich II. mit dem Inhalt, er habe den Vater zu Freundschaft mit Frank-
reich, zumindest zur Neutralität gedrängt (Brown 6,2, S. 937f), kann auch politische Propaganda
gewesen sein; der Gewährsmann Soranzo pflegte Fakten und Gerüchte nicht säuberlich zu tren-
nen.
387 Das behauptete der venetianische Gesandte Tiepolo (sein Bericht v. 8.10.1556 gedruckt bei Lutz,
Christianitas, S. 499 und in NB I 17, S. 371f).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien