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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel666
burg erscheinen und bei den Reichsständen um ein Verteidigungsbündnis wer-
ben um den Preis der Restitution von Metz, Toul und Verdun; er empfahl
Philipp, um seine Beziehungen zu den Reichständen zu verbessern, den Prinzen
von Oranien zum Reichstag abzuordnen388. Maximilian, der dem Vater zu ei-
nem Kurswechsel geraten haben soll, mußte nach Angaben des einzigen Ge-
währsmannes wenig später zugeben, daß Ferdinand die Aufkündigung der Soli-
darität mit der älteren Habsburger-Linie abgelehnt hatte389. Vielmehr verstand
es der König, seinem Sohn deutlich zu machen, daß die französischen Freund-
schaftsbeteuerungen durch entsprechende Taten fundiert werden müßten, vor
allem durch eine andere Haltung zu den Türken390. Eine „renversement des
alliances“ oder gar ein aktives Eingreifen in militärische Konflikte hätte Ferdi-
nands damaligen Interessen in hohem Maße widersprochen. Angesichts der
Türkengefahr mußte ihm am Frieden in Europa gelegen sein, um Hilfe von den
„christlichen Potentaten“ zu erlangen391. Hinzu kommt, daß diese spektakuläre
Schwenkung höchste Geheimhaltung erfordert hätte; wenn Delfino ein Signal
oder gar einen Auftrag Ferdinands gehabt hätte, durfte er auch dem venetiani-
schen Landsmann keine Andeutung machen. Und wenn Paul IV. ein solches
Bündnis begrüßt hätte, hätten die Verhandlungen mit Wien irgendwie weiter-
gehen müssen, doch gibt es dafür kein Indiz, vielmehr blieb die Nuntiatur am
Hof Ferdinands über ein Jahr unbesetzt392. Richtiger dürfte Venedigs Bot-
schafter in Rom Navagero den Zweck der Reise Delfinos erfaßt haben: Den
Papst darauf hinzuweisen, daß die Weigerung, den Habsburger gegen die Tür-
ken zu unterstützen, oder gar eine Koalition mit Frankreich, den Verbündeten
der Osmanen, Ferdinand nötigen werde, den Protestanten weitere Zugeständ-
nisse zu machen, um von ihnen Türkenhilfe zu bekommen393. Außerdem wurde
Ferdinand auf diese Weise den lästigen Mahner los, gehörte es doch zu Delfinos
Aufträgen, in Wien und anderswo gegen den Religionsfrieden bzw. seine Um-
setzung Bedenken zu erheben.
Allerdings trachtete Ferdinand es zu vermeiden, in die kriegerischen Kon-
flikte Philipps II. hineingezogen zu werden. So erteilte Ferdinand zwar einigen
Offizieren die Erlaubnis, in spanische Dienste zu treten, lehnte aber mehrmals
das Ersuchen ab, die Einrichtung von Musterplätzen in Tirol für Werbungen
zugunsten der spanischen Truppen in Italien zu gestatten394; damit verhielt er
388 CDI 2, S. 449ff: F. an Philipp, 20.11.1556; zu Oraniens anderer Funktion s. Kapitel 3, S. 216
389 Lutz, Christianitas, S. 499: Bericht Tiepolos v. 23.11.1556
390 Die These von Ernst, Bw. 4, S. LIIf, daß Maximilians Schreiben v. 1.10.1556 an Heinrich II.
(Teildruck ebda, S. 200ff als Anm. zu Nr. 170a) von Ferdinand beeinflußt worden sei, ist plausi-
bel.
391 Vgl. Zasius’ Schreiben an F., v. 11.11.1556 (Postscript) in HHStA Wien, RK RTA 38, fol 9r/v.
Herzog Albrecht und der Kardinal von Augsburg sahen das genauso.
392 Obwohl H. Goetz (NB I 17, S. XLVII) diese Fakten kannte, folgte er kritiklos dem Bericht
Tiepolos.
393 Brown 6/2, S. 775f; danach richtig Riess, S. 173.- Die Protestanten wiederum argwöhnten, da-
durch solle der Krieg beendet und „die spieß inn sie gewendet“ werden (so Zasius an F., Re-
gensburg, 19.11.1556, in HHStA Wien RK RTA 38, fol 60v/61r).
394 z.B. CDI 2, S. 458ff, vgl. Maurenbrecher, HZ 50, S. 48; auch schon in einem Schreiben an Karl v.
23.12.1555, in HHStA Wien, Hs. blau 597/3, fol 310v-311v (Antwort auf Druffel 4, S. 756f)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien