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Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel672
zo trug den Inhalt ihrer Hauptinstruktion in lateinischer Sprache vor434. In der
vier Tage später erteilten Antwort räumte der französische König ein, daß die
Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun Reichsstände seien, behauptete
aber nicht zu verstehen, worin die Restitution eigentlich bestehen solle, denn
die Bischöfe jener Städte hätten Kaiser und Reich den Lehnseid geleistet435, das
Abhängigkeitsverhältnis bestehe mithin weiter; auch habe kein einziger Be-
wohner auf Befehl des Königs Haus und Hof verlassen müssen, wer fortgegan-
gen sei, habe das aus freiem Willen getan. Zur Klarstellung der Sachlage wolle er
eine Gesandtschaft zum nächsten Reichstag schicken.
Französischerseits erklärte man die Angelegenheit also unverblümt zu einem
Scheinproblem. Das war eine Reaktion, die von den Reichsständen nicht vor-
hergesehen worden war. Die Reichsgesandtschaft wurde durch diesen Zug
praktisch matt gesetzt. Die Bemühungen Madruzzos, in vertraulichen Gesprä-
chen den Kardinal von Lothringen und dessen Bruder, den Herzog von Guise,
zu einer Befürwortung der Restitution zu bewegen, hatten keinen Erfolg436. So
blieb den Gesandten nur übrig, eine Erläuterung dessen zu geben, was der fran-
zösische König angeblich nicht verstand. Ihr Hinweis, es sei ganz unbestimmt,
wann der Reichstag wieder zusammentreten werde, während sie selbst Voll-
macht hätten, über alle bei der Restitution auftretenden Probleme zu verhan-
deln437, blieb ohne Wirkung. Es war natürlich eitel Spiegelfechterei, wenn in der
französischen Erwiderung behauptet wurde, nur eine eigene Gesandtschaft
könne die Position des französischen Königs den Reichsständen richtig dar-
stellen und alle Fragen dazu angemessen beantworten438. Man wollte eben nicht
mit der das gesamte Reich repräsentierenden und über eine von dessen maß-
geblichen Kräften approbierte Instruktion verfügenden Gesandtschaft verhan-
deln, sondern die Chance haben, die momentane Geschlossenheit zwischen
Kaiser und Reichsständen wieder aufzubrechen, wozu jeder Reichstag geeignet
war. Und Zeit gewann man durch diese Taktik obendrein. Die Gesandten
konnten nur noch einmal den Rechtsanspruch von Kaiser und Reich an den
lothringischen Stiften und Städten zu Protokoll geben und ihrer Instruktion
entsprechend um Verabschiedung ersuchen. Ihr vollständiges Scheitern war
ihnen bewußt439. Der Trost, den die Guisen der Gesandtschaft mit auf den Weg
gaben, der Kaiser möge mit dem sehr jungen König Geduld haben, auch wenn
er diesmal keine befriedigende Antwort erteilt habe, werde sie schon noch
kommen, konnte kaum anders als ironisch aufgefaßt werden440.
434 Lambert, S. 343ff; Madruzzo scheint leise Zweifel gehabt zu haben, ob seine Übersetzung den
gewünschten Ton getroffen hatte, denn er bemerkte: „sovil sich das auff das formlichist auf La-
tein reymen mügen“ (ebda, S. 340).
435 „sua homagia ac fidelitates more maiorum rite“ (Lambert, S. 346ff, das Zitat S. 347).
436 Das ergibt sich aus dem Bericht, den der Sekretär Madruzzos, Christian Kirchmayr, im Auftrage
seines Herrn an Ferdinand geschickt hat (BHStA München, KÄA 4386, fol 136r-139r, Kopie).
437 Lambert, S. 348–350: Replik der deutschen Gesandtschaft v. 2.2.1560
438 Lambert, S. 349ff: Französische Duplik v. 2.2.1560
439 Lambert, S. 351–353: Triplik der Gesandten (v. 2.2.1560) und Abschlußbericht an Ferdinand
(vom 3.2.)
440 Bericht Kirchmayrs (wie Anm. 436)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien