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Beziehungen zu Frankreich 673
Nun erkannte man in Wien den begangenen Fehler und bemühte sich,
reichsständischer Kritik zuvorzukommen. In Anwesenheit des Kaisers beschloß
der Reichshofrat nicht nur, den Kurfürsten den Schriftwechsel der Reichsge-
sandtschaft mit dem französischen Hof in Abschriften zuzustellen und sie da-
mit sofort in die Verantwortung für jedes weitere Vorgehen einzubinden, son-
dern in dem Begleitschreiben die Belehnung des Kardinals von Lothringen zu
rechtfertigen441. Als Gründe nannte Ferdinand, nachdem der Kardinal sich
erboten habe, die Pflichten eines Reichsgliedes zu erfüllen, habe er es für richtig
gehalten, um „vnser vnd des Reichs gerechtigkait des orts zu erhalten“, ihn für
Kaiser und Reich in die Pflicht zu nehmen, während die Verweigerung nur
„dem Reich ainich gehorsam, dienst oder hilff nit zu laisten vrsach gegeben
haben sollten“. Diese Taktik des Kaisers gegenüber den Kurfürsten scheint
nicht erfolglos gewesen zu sein, denn selbst der immer mißtrauische und bisher
zu Frankreich neigende Pfälzer Kurfürst Friedrich fand die französische Ab-
fertigung der Reichsgesandtschaft empörend442. Schon vorher demonstrierte
Ferdinand seinen Willen, die vom Reichstag für den Fall einer französischen
Weigerung gefaßten Beschlüsse zu befolgen, indem er ein Mandat erneuerte, das
allen Untertanen seiner Länder einschärfte, ohne besondere Erlaubnis keines-
falls in fremde Kriegsdienste zu treten443. Einen Monat später sah der Kaiser
Veranlassung, angeblich von Franzosen ausgestreute Behauptungen zu demen-
tieren, er habe einer französischen Gesandtschaft bedeutet, „das wir fur unser
person so hart auff die erforderte Stifft und Stett nit trungen noch darumb mit
dem Konig von Frankreich ainichen Krieg anzufahen gedechten, dann bemelte
Stifft und Stett weren weder unser patrimonium noch bey unserer Regierung
verloren worden“444. Die Kurfürsten beeilten sich, das Dementi für gänzlich
unnötig zu erklären und den Kaiser ihres Vertrauens zu versichern, mehrere
von ihnen fügten hinzu, sie hätten von jenem Gerücht gar nichts gewußt445.
Der Ansicht, es sei jetzt die richtige Zeit, auf der Restitution zu beharren,
weil Frankreich durch den religiösen Zwiespalt geschwächt und der König
finanziell am Ende sei, man müsse ihm nur verdeutlichen, „das er sich kainer
vertröstung in Teutschland anmassen mag“446, mochte Ferdinand sich nicht
anschließen. Er dachte nicht daran, ohne Rat und Mitwirkung der Reichsstände,
zumindest der Kurfürsten, neue Schritte zu unternehmen, geschweige denn die
Bedrängnis, in die die französische Krone durch die erste Phase der Religions-
441 HHStA Wien, RHRP 17, fol 161r/v: Eintrag zum 25.2.1560; das Rundschreiben an die Kurfür-
sten unter diesem Datum gedruckt bei Sudendorf, S. 262f, und Lambert, S. 337f.
442 Kluckhohn, Briefe 1, S. 121; Wirsching, S. 340f
443 HHStA Wien, RK Rig 42a, (unfol): Mandat, Innsbruck, 23.2.1560
444 Sudendorf, S.264f: F. an alle Kurfürsten (außer Mainz), Wien, 29.3.1560. In RHRP 17, fol 175v
ist Selds Auftrag an den Sekretär Haller zu diesem Schreiben festgehalten. Mainz war schon ein
paar Tage früher informiert worden.
445 HHStA RK Rig 42a: Schreiben der Kurfürsten von Sachsen, Mainz, Brandenburg, Pfalz und
Köln vom 13., 16., 19., 20. und 23.4.1560 (sämtlich im Original, unfoliiert); vom Trierer Kurfür-
sten befindet sich keine Antwort in dem Aktenband.
446 Bericht Kirchmayrs (wie Anm. 436), bes. fol 138v
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien