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Die baltische Frage 689
Vorschlag, wie die erbetene Hilfe aussehen möge555. Er blieb abermals ohne
Antwort. –
Ferdinands Verstimmung ĂĽber das fait accompli von Wilna bekamen mehr
die Livländer zu spüren. Nach dem für sie negativen Ergebnis des Hansetages
in Lübeck griff insbesondere Reval – offenbar mit Ermutigung durch den Or-
densmeister – zur Selbsthilfe und kaperte hansische Schiffe, welche Narwa oder
das schwedische Wiborg ansteuerten556. Dagegen setzte sich LĂĽbeck mit einer
Klage beim Reichskammergericht557 und schon vorher mit einer Eingabe beim
Kaiser zur Rechtfertigung der Narwafahrt zur Wehr. LĂĽbeck vertrat den
Standpunkt, nur dann den RuĂźlandhandel unterlassen zu mĂĽssen, wenn er allen
Nationen verboten wĂĽrde; ein einseitiger Verzicht wĂĽrde hingegen viele Men-
schen im Reich „um ihre Nahrung bringen“558. Das Haupt der Hanse beschritt
also noch vor der juristischen Auseinandersetzung wegen der erlittenen Schä-
den seiner BĂĽrger den Weg, eine politische Entscheidung des Kaisers herbei-
zuführen. Ferdinand wollte die Selbsthilfe der Livländer nicht tolerieren, son-
dern rückte sie in einem scharfen Mandat an Reval in die Nähe des Landfrie-
densbruchs und ordnete die umgehende Freilassung dort gefangen gesetzter
lĂĽbischer Kaufleute an559. Nachdem er dem bald darauf in Wien eingetroffenen
Gesandten des Ordensmeisters, wiederum Sieberg, Gelegenheit zur Gegendar-
stellung gegeben hatte, entschied er die politische Frage, ob trotz des latenten
Kriegszustandes mit RuĂźland Handel getrieben werden dĂĽrfe, zugunsten der
Hanse. Es ist evident, daĂź Siebergs ausweichende Antwort auf die von Ferdi-
nand vorab verlangte Aufklärung über die Tragweite der Wilnaer Vereinbarung
einen schlechten Eindruck auf den Kaiser gemacht hat und nicht dazu angetan
war, sein Engagement zugunsten Livlands zu stärken560. In Mandaten an Lü-
beck und Reval stellte Ferdinand am 3. April 1560 klar, er habe niemals die
Freiheit von Schiffahrt und Handel einschränken wollen, nur Kriegsmaterial
und Proviant sollten nicht nach RuĂźland geliefert werden dĂĽrfen. AusdrĂĽcklich
machte er sich die Argumente Lübecks zu eigen, der völlige Verzicht auf die
Fahrt nach Narwa werde das Reich schädigen, und auf dem Umweg über
Schweden hielten die livländischen Städte ja selbst Handelsbeziehungen mit
RuĂźland aufrecht. Die Kaperung hansischer Schiffe wurde folgerichtig als Ver-
555 Die Andeutung einer gemeinsamen Aktion („mittendis litteris vel nuntiis“) wurde gestrichen.
Konzept des Schreibens an Philipp II. v. 28.8.1561 in HHStA Wien, Spanien, Hofkorr. 2, fol 4r-
6v („in simile ad Reginam Angliae“); Druck CDI 98, S. 162ff; der Brief an Gustav Wasa bei
Schirren 5, S. 204ff.
556 Dreyer, S. 83f
557 Ebda, S. 87f
558 Schirren 3, S. 317ff; vgl. Dreyer, S. 83f
559 Dreyer, S. 88
560 Auskunftsbegehren Ferdinands, Antwort Siebergs und Erwiderung des Kaisers bei Schirren 4,
Nr. 516, 525, 528; die Schritte sind im Reichshofrat vorberaten worden (HHStA Wien, RHRP
18, fol 10r/v u. 12 r/v). Selbst die zum 4.4.1560 notierte Antwort an die dänische Gesandtschaft
(ebda, fol 15v) bringt zum Ausdruck, der Kaiser sei verärgert, weil er vom Ordensmeister nicht
auf dem laufenden gehalten werde und noch immer auf angeforderte Informationen warten
mĂĽsse.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien