Page - 712 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 712 -
Text of the Page - 712 -
Kapitel 10: Kaiser Ferdinand I. im europäischen
Kräftespiel712
nem der Erzherzöge einzulassen, sollte aber vorsichtig die Stimmung dazu er-
kunden, weil die Werbung Philipps ja auch scheitern könnte726.
Helfenstein hielt sich an seine Instruktion, obwohl ihm ihre Zweckmäßigkeit
je länger desto weniger einleuchtete. Vielmehr gewann er in England den Ein-
druck, daß Philipp II. keine Chance habe, während an einer Heirat der Königin
mit einem Erzherzog großes Interesse bestünde727. Das war insofern richtig
beobachtet, als die politische Führungsschicht mehrheitlich die Vermählung
Elisabeths wünschte728. Den biederen Grafen Helfenstein scheint außerdem das
Mißtrauen, das ihm anfänglich in Brüsseler Hofkreisen wegen der Wiener Ab-
sichten begegnete, geärgert zu haben; in der Hoffnung, die Spanier überspielen
zu können, dürfte er manche Äußerungen englischer Gesprächspartner wohl
allzu positiv interpretiert haben729.
Ferdinand blieb zwar dabei, nicht in Konkurrenz zu Philipp zu treten, ent-
schloß sich aber unter dem Eindruck der positiven Berichte Helfensteins im
März, die ihm „durch göttliche Fügung gebotene glänzende und erwünschte
Gelegenheit nicht zu mißachten“730. Man wird diese Äußerung auch insofern
ernst zu nehmen haben, als Ferdinand nunmehr alle Implikationen, die mit der
Verheiratung eines Sohnes auf die britische Insel verbunden waren, durchdacht
hat. Die günstige Gelegenheit zum Wohl des Hauses und der katholischen
Christenheit zu ergreifen, dieser Gedanke zieht sich leitmotivisch durch die
weiteren Äußerungen Ferdinands zu dem Projekt, wobei ihm vorschwebte, daß
der habsburgische Prinzgemahl zum Kristallisationskern für die Rückführung
Englands in den Schoß der allgemeinen Kirche werden sollte.
Den Neffen forderte er darum jetzt zu einer klaren Stellungnahme sowie im
Falle des eigenen Verzichts zur Unterstützung seines Sohnes auf und zog, um
Philipp vom Nutzen der englischen Heirat zu überzeugen, eben jene kräftigen
Register wie das Wohl des ganzen Hauses und des katholischen Glaubens, da-
neben auch die mit dem Erfolg eines Rivalen verbundenen Risiken731. Ferdi-
nand war an Philipps Rat und Unterstützung zweifellos gelegen, weil jener
eigene Kenntnisse von den englischen Verhältnissen besaß, die ihm selbst und
seinen Diplomaten völlig fehlten. Der spanische König, der sich gerade festge-
legt hatte, zur Besiegelung des Friedens mit Frankreich die französische Prin-
zessin Elisabeth zu ehelichen, bedurfte dieser Argumente kaum. Er versprach
nicht nur die Förderung des Projektes der Wiener Verwandten, sondern
726 HHStA Wien, ebda, fol 9r/v: Weisung v. 26.1.1559; vgl. Goetz, Beiträge, S. 145f (Helfenstein an
Herzog Albrecht, 5.2.1559); Diemer, S. 9
727 Goetz, Beiträge, S. 149 Anm. 1 u. S. 151; Helfenstein an F. bzw. an Herzog Albrecht; beide Male
gibt er ausdrücklich Erzherzog Ferdinand beste Chancen. Russell, S. 205, datiert den endgülti-
gen Verzicht Philipps II. in die zweite Märzhälfte.
728 Diemer, S. 11 Anm. 24
729 Auch klagte er über zu große Rücksichtnahme des Kaisers auf den spanischen König (Goetz,
Beiträge, S. 150).
730 „ne tam praeclaram et exoptatam occasionem divinitus nobis oblatum negligamus“ (HHStA
Wien, HA FA 21 II, fol 34r-35r: Weisung an Helfenstein v. 14.3.1559, das Zitat fol 34v).
731 Ebda, fol 48r-51v: Instruktion für Helfenstein v. 29.3.1559; vgl. Diemer, S. 16, Fichtner, Marria-
ge, S. 245. Mit dem Grafen Luna hat Ferdinand anscheinend in gleicher Weise gesprochen (CDI
98, S. 59).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien