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Schlußbemerkung738
nahme des Kaisertums einleitete, wobei er seinen Bruder von die Kurfürsten
provozierenden Schritten abzuhalten und sich selbst die Entscheidung über die
Zeit und die Modalitäten zu sichern verstand; an dem Geschick, mit dem er bei
dem einzigartigen Vorgang in Frankfurt die Rechtsauffassung Karls V. und die
der Kurfürsten auszutarieren wußte. In ähnlich behutsamer Weise konnte Fer-
dinand die Nachfolge Maximilians sicherstellen, obwohl er selbst nicht zum
Kaiser gekrönt war; dezent wartete er für die Einleitung einen Anstoß von
kurfürstlicher Seite – Brandenburg – ab, vermochte alle kalkulierbaren Störun-
gen im Vorfeld der Wahl auszuschalten und brachte es fertig, ohne kostspielige
finanzielle Zuwendungen an die Kurfürsten auszukommen und schließlich auch
ohne Erbringung der lange geforderten Vorleistungen die Approbation durch
die Kurie zu erlangen.
Dem – für Historiker so faszinierenden – Versuch Karls V., dem Kaisertum
eine universale Bedeutung zu geben, war keine Dauer beschieden, durch die
Teilung des von Karl V. beherrschten Machtkomplexes und dem von Ferdinand
errungenen Verbleib der Kaiserwürde bei seiner eigenen Linie war der Fortset-
zung die Basis entzogen. Folgerichtig hob man in Ferdinands Beraterkreis vor
allem die Verwurzelung des Kaisertums im deutschen Königtum hervor, wie
sowohl die wichtigen Überlegungen Selds als auch etliche andere, hier erstmals
ausgewertete, Gutachten zeigen. Dieser Rückgriff auf die im 14. Jahrhundert
von König und Kurfürsten gemeinsam in Auseinandersetzung mit dem Papst-
tum präzisierten Vorstellungen war eine ideelle Begründung, die in den führen-
den intellektuellen und politischen Kreisen des Reichs konsensfähig war und
überdies geeignet, Ferdinand bei der Verteidigung seines Kaisertums gegen die
unzeitgemäße Infragestellung durch Papst Paul IV. die Anerkennung selbst der
Protestanten zu sichern. Doch ist sie kein Indiz für eine „modernere“ oder
„neuzeitliche“ Haltung Ferdinands. Denn seine engsten Berater ebenso wie er
selbst hielten daran fest, als Kaiser stehe er in einer eigenständigen Verantwor-
tung neben dem Papst für die gesamte Christenheit und die Kirche. Diese Posi-
tion ist, wie gezeigt worden ist, eine Leitlinie für seine Religions- und Kon-
zilspolitik. Die Übernahme der Kaiserwürde durch Ferdinand erscheint daher
aus der Rückschau nicht als Bruch, aber in nüchterner Erkenntnis der eigenen
Möglichkeiten wurden die Ziele weniger weit gesteckt. Die Sicherung der
Nachfolge für Maximilian war nicht nur von – für die Zeit selbstverständlichem
– dynastischem Denken getragen, sondern auch von der Überzeugung, daß das
Haus Habsburg in Reich und Christenheit zur führenden Position berufen sei.
Insofern erweist sich die in der Einleitung erwähnte pointierte Gegenüberstel-
lung der beiden Brüder durch Manuel Fernandez Alvarez als nicht angemes-
sen3.
Es ist gezeigt worden, daß Ferdinand seit Passau, insbesondere durch den
Augsburger Reichstag von 1555, eine solide Verständigung zwischen den bei-
den „Religionsparteien“ verfolgte, obwohl er von den „Skrupeln“ seines kaiser-
lichen Bruders wußte. Sie sollte die Basis sein für das festgehaltene Ziel der
friedlichen Wiederherstellung der Glaubenseinheit. Ferdinand hat, was bisher
3 s. S. 9
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien