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Schlußbemerkung 739
wenig beachtet worden ist, den Spielraum, den das Verfahren bei den Beratun-
gen des Reichstages ihm durch die Mitgliedschaft in der Fürstenkurie noch ließ,
von Anfang an zu nutzen gesucht, um das Ergebnis mitzugestalten. Durch den
Einsatz seiner Mitarbeiter während der ersten Verhandlungsrunden wurden für
mehrere strittige Fragen schon in der interkurialen Diskussion Kompromisse
gefunden. Mit starkem persönlichen Einsatz bemühte sich der König in der
Schlußphase um ein für alle tragbares Ergebnis, das den Frieden im Reich stabi-
lisieren sollte, ohne den Weg zur Einigung im Glauben zu verschütten. Daß er
einen für ihn unverzichtbaren Punkt – die Sicherung der geistlichen Fürstentü-
mer – nur durch Setzung aus königlicher Machtvollkommenheit unter Abmil-
derung der Folgen durch die „Declaratio Ferdinandea“ im Abschied verankern
konnte, also mit Hilfe des „dissimulierenden“ Verfahrens, das den Widerstand
der Protestanten nur zurückdrängte, aber nicht wirklich auflöste, war eine Hy-
pothek, die sich während seiner beiden anderen Reichstage in steigendem Maße
belastend für seine Einigungspolitik auswirkte. Der Regensburger Reichstag
sollte nach den Vorstellungen Ferdinands die Lösung der Religionsfrage im
Reich voranbringen, ja sogar selbst leisten, doch konnte der König seine im
Vorfeld des Augsburger Reichstages entwickelte Konzeption nicht realisieren.
Das stattdessen vereinbarte Religionsgespräch in Worms führte zu mehr Ver-
härtung zwischen den Konfessionen und bestätigte des Königs Auffassung, daß
die Einigung nicht den Theologen überlassen bleiben könnte. Ferdinand sah
sich auf das Konzil als letzten noch gangbaren Weg zurückverwiesen und war
während des Augsburger Reichstages 1559 um dessen Offenhaltung bemüht.
Die große Bedeutung, die Ferdinand dem mühsam erreichten Friedenssystem
für seine Politik beimaß, kommt auch darin zum Ausdruck, daß er im Eindrin-
gen des Calvinismus ins Reich eine Gefährdung des Reichsfriedens erblickte.
Dessen Begünstiger, den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, warnte er in einem
Schreiben nachdrücklich vor der Abwendung von der Augsburgischen Konfes-
sion durch Einführung des Calvinismus, die zu weiterem „abfahal, zerruettung
und verwürrung in der religion“ führen müsse und weder mit dem Religions-
frieden, der vielmehr dadurch erschüttert werde, noch mit der reichsfürstlichen
Verantwortung Friedrichs zu vereinbaren sei4.
Daß es zur Friedenswahrung im Reich und an seinen Grenzen eigentlich der
Schaffung von Exekutivorganen zur Verfügung des Kaisers bedurfte, hatte Fer-
dinand nachweislich schon lange vor seiner Übernahme der Kaiserwürde er-
kannt und seinem Bruder die Bildung einer „armée ordinaire“ vorgeschlagen,
was Karl V. aus finanziellen Erwägungen abgelehnt hatte. Die Reichsstände
aber gaben der Dezentralisierung der Bekämpfung von Friedensstörungen den
Vorzug. Die davon geprägte Exekutionsordnung von 1555 akzeptierte Ferdi-
nand in der Erwartung, bei einer wahrscheinlichen Revision Verbesserungen
einbringen zu können. Bei gegebenen Anlässen (1558, 1563) suchte er den
Reichsständen gleichwohl die Einsicht in die Notwendigkeit einer Ordnungs-
truppe zu vermitteln und vermochte beim Wormser Deputationstag 1564 einen
bescheidenen Anfangserfolg zu erzielen. Als Alternative führte er seine Bünde-
4 Kluckhohn, Briefe 1, S. 419ff: F. an Kurfürst Friedrich, 13.7.1563
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien