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SchluĂźbemerkung740
politik fort, eine in den frĂĽhen fĂĽnfziger Jahren entwickelte Konzeption, wobei
er anstrebte, möglichst viele Stände beider Konfessionen in miteinander ver-
klammerte Regionalbünde einzubeziehen, – eine in in ihrer Kontinuität bisher
noch nicht behandelte Linie.
Es ist im einzelnen dargelegt worden, daĂź Ferdinands Konzilspolitik die
FortfĂĽhrung seines schon in der Regierungszeit Karls V. faĂźbaren Bestrebens
gewesen ist, den Weg zu finden und zu ebnen fĂĽr die Wiederherstellung der
religiösen Einheit durch Rückführung der Protestanten in den Schoß der Kir-
che. Nachdem die Alternativen – Colloquium, Reichsversammlung –, deren
Erprobung er bejaht und gefördert hatte, keine greifbaren Fortschritte gebracht
hatten, setzte sich Ferdinand fĂĽr ein von der ganzen Christenheit getragenes
Reformkonzil ein. Abbau internationaler, insbesondere durch die Glaubens-
spaltung verursachter, Spannungen war dafĂĽr eine Voraussetzung, Absprachen
und Maßnahmen, welche die Protestanten verschrecken oder vielleicht zu prä-
ventiven Aktionen provozieren konnten, lehnte er ab bzw. suchte sie zu ver-
hindern. Ein zweites Motiv für Ferdinands Interesse an friedlichen Verhältnis-
sen in Europa war die ständig präsente osmanische Bedrohung. In den Vorver-
handlungen für das Konzil und während der gesamten Tagungszeit suchte er in
mehreren grĂĽndlich vorbereiteten Initiativen, in manchen Phasen auch durch
persönlichen Einsatz – was bisher zu wenig registriert worden ist –, der Reform
der Kirche durch das Konzil Priorität zu verschaffen; denn er sah die entschei-
dende Ursache für die Spaltung in der Religion in „Mißbräuchen“, während er
die Tiefe und Bedeutung der Lehrunterschiede und die im Lauf der Jahrzehnte
erfolgte Verfestigung der evangelischen Position unterschätzt hat; Diskussionen
ĂĽber dogmatische Fragen waren seine Sache nicht. Er setzte fĂĽr seine Konzepti-
on sein Verständnis von Verantwortung und Aufgaben eines christlichen Kai-
sers ein, jedoch vermochte er nur fĂĽr sein Ansehen in Europa, nicht aber in der
Sache nachhaltige Erfolge zu erzielen. Weder gelang es ihm, die Kurie fĂĽr seine
Prioritäten zu gewinnen, noch seinen Führungsanspruch auf dem Feld der
Konzilspolitik gegenüber den katholischen Mächten Spanien und Frankreich,
die sich von den eigenen Verhältnissen und Bedürfnissen leiten ließen, durchzu-
setzen noch die Bischöfe des Reichs zur Teilnahme am Konzil zu bestimmen,
geschweige denn zur UnterstĂĽtzung seiner Konzeption. Dennoch erlaubte ihm
sein Verständnis von den Pflichten eines Kaisers nicht, das ihn immer mehr
enttäuschende Konzil fallen zu lassen. Doch kam er am Ende zu der – von sei-
nem Ansatz her nachvollziehbaren – Bewertung des Tridentinums als Fehl-
schlag, der das Suchen nach Aushilfsregelungen erforderte, um weiterem Abfall
von der Kirche entgegenzuwirken.
Wo die Beziehungen zu den Nachbarn des Reichs angespannt waren, war
Ferdinand bestrebt, den Anspruch der Reichsstände, zumindest der Kurfürsten,
auf Mitsprache zu nutzen, um eine gemeinsame Haltung „des Reichs“ herbei-
zufĂĽhren. Da sie ihm aber kaum wirksame UnterstĂĽtzung zuteil werden lieĂźen
und ihm die Mittel fehlten, die von anderen geschaffenen Fakten rückgängig zu
machen, nahm er den Verbleib der lothringischen Bistümer und Städte unter
französischer Verwaltung und die Unterstellung der livländischen Stände unter
Polens Oberhoheit hin. Ohnehin hatte die Sicherung der SĂĽdostgrenze gegen
die immer gefürchtete osmanische Macht Priorität. Hier konnte Ferdinand sein
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien