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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN24
Eine weitere grundlegende Frage, auf die bislang ebenfalls keine wirk-
lich befriedigende Antwort gefunden werden konnte, beschäftigt sich mit
dem Sammelauftrag der Privatbibliothek. Es ist davon auszugehen, dass die
Franz zuteil gewordene aufgeklärte Erziehung der Grund für das Sammeln
von Büchern war, und auch das konkrete Vorbild ist bekannt, nämlich die
Büchersammlung seines Vaters Pietro Leopoldo. Dass der junge Erzherzog
zu diesem Zeitpunkt noch ganz Kind war, dem aber spätere Wesenszüge an-
satzweise bereits anzumerken waren, geht aus einem Brief Josephs II. an
Pietro Leopoldo vom 28. August 1786 hervor. Er beklagt darin, dass Franz
keine Lust zu irgendwelchen Vergnügungen habe, „außer für jenes, nichts zu
tun und im Wasser herumzupritscheln, oder irgendetwas in seinem Zimmer
anzunageln und auf zwanzig verschiedene Arten seine Bücher oder Papiere
zu ordnen […]“7.
Da sich zu den Druckwerken, die im Rahmen seiner Erziehung Verwen-
dung fanden später Werke aus seinen Lieblingsdisziplinen gesellten (Natur-
wissenschaften, Reisebeschreibungen, Historica, griechische und lateinische
Klassiker), so ist anzunehmen, dass vor allem nach Youngs Ernennung zum
Bibliothekar zumindest mündliche Anweisungen erfolgt sein müssen, die
diesem als Richtschnur bei der Auswahl aus Verkaufs- oder Auktionskatalo-
gen dienen sollten. Hier ist es nun Khloybers Nachfolger, Moritz von Becker,
der Jahrzehnte nach dem Tod Franz’ I., nach intensiver Auseinandersetzung
mit dem Buchbestand, resümierend seine Meinung zu diesem Thema wider-
gibt, die allerdings nicht einhellig ausfällt. Im März 1870, als er für eine
Rückführung von Buchbeständen aus der Hofbibliothek argumentiert, meint
er in Bezug auf einen Sammelauftrag:
„In der That hat die k. k. Familien-Fideicommissbibliothek seit ihrer Grün-
dung und zwar – wie ich mich aus den Acten überzeugt habe nach ausdrück-
licher Weisung Seiner Majestät des hochseligen Kaisers Franz – auf die
Sammlung von Austriacis besondern Wert gelegt und wurde darin von Ihrem
erhabenen Stifter in dem allerhöchst derselbe jedes an Seine Person als Ge-
schenk gelangte und von allerhöchst Ihm angenommene literarische Werk an
die Bibliothek gelangen ließ, auf das Kräftigste überstützt.“8
7 Im Original: „… rien faire et de tripoter avec de l’eau, de clouer quelque chose dans sa
chambre, de ranger de vingt fois différents ses livres ou papiers“, aus Alfred von Arneth, Jo-
seph II. und Leopold von Toskana. Ihr Briefwechsel von 1781–1790, Bd 2. (Wien 1872) 34,
zit. nach Breininger, Franz II. (I.), 111. Breininger übersetzt „clouer quelque chose“ aller-
dings mit „herumräumen“ anstatt mit „[an die Wand] annageln“. Letzteres ist jedoch auch
aus anderen Quellen belegt (Kupferstiche als Wandschmuck), etwa aus dem Tagebuch des
Ajo Franz Graf Colloredo-Wallsee, vgl. dazu Poch, Porträtstichsammlung, 61.
8 FKBA26140, fol. 4r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken