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EINLEITUNG 31
ihm bekannt, dass Erzherzog Ludwig (der jüngste noch lebende Bruder des
Kaisers) sowohl ein Album aus dem ehemaligen Besitz der Erzherzogin Hen-
riette als auch sämtliche Landkartendubletten der franziszeischen Samm-
lung erhalten soll. Die Kommission tritt daraufhin mehr oder weniger ratlos
auseinander und erbittet sich vom neuen Kaiser Ferdinand weitere Befehle,
unter anderem auch hinsichtlich der Publikation des Paragraphen 14, in
dem der verstorbene Kaiser Dankesworte an sein Volk, die Armee und die
Beamtenschaft richtet.21
Da Staatsratsreferent Albert von Heß als Verfasser der Testamentsrein-
schrift vermutlich nun näher zu den Umständen ihres Zustandekommens
befragt worden ist, gibt dieser am 4. März 1835 eine schriftliche Erklä-
rung ab, in der er genau schildert, was sich in den letzten Lebenstagen des
Kaisers diesbezüglich zugetragen hat. Er war bereits am 28. Februar um
8 Uhr morgens von Franz I. an dessen Krankenbett gerufen worden und der
Monarch übergab ihm „zwar schon erkrankt, aber bei vollkommen klarem
Bewußtsein“ Textvorlagen, die teilweise von ihm selbst oder nach seinem
Diktat von seiner Gattin Karoline Auguste angefertigt worden waren, mit
dem Auftrag, eine Reinschrift aufzusetzen „und falls ich in deren Auffassung
Anstände hätte, sie Seiner Majestät vorzutragen“. Heß habe dem Kaiser da-
raufhin um 12 Uhr desselben Tages lediglich hinsichtlich der Anordnung,
„daß die Erben nach den Gesetzen eintreten sollten“ zu erläutern geraten,
„ob die bürgerlichen oder die Hausgesetze, und welche, gemeint seien“. Die
zweite Unklarheit bezog sich „auf die verordnete Einrechnung des Falken-
stein’schen Fideikommisses, welche an sich nicht wohl rechtlich zulässig
schien, wo übrigens ein solches Fideikommiß als Surrogat [Ersatz] für Fal-
kenstein noch gar nicht errichtet war“. Franz I. erklärte hierauf seinen Wil-
len rücksichtlich der Erbeinsetzung und des Falkenstein’schen Fideikom-
misses „genau so, wie er nunmehr im Testamente erscheint – [er] bestimmte
auch die Familienbilder zum Fideikommisse und ordnete die genaue Abson-
derung der Dienstschriften von Ihren Papieren an.“ Befehlsgemäß wurde die
Reinschrift sodann dem Hof- und Burgpfarrer Weihbischof Johann Michael
Wagner überreicht. Am Folgetag, dem 1. März, wurde Heß wiederum zum
Kaiser gerufen
„und laß Seiner Majestät auf allerhöchst Ihren Befehle das Testament von
Wort zu Wort vor. Seine Majestät hörten mit gespannter Aufmerksamkeit
zu, liessen sich mehrere Stellen wiederholt vorlesen, und den §§ 3, 10 und 12
die ersichtlich eingeschalteten Worte beifügen; bemerkte auf meine allerun-
21 Wien, ÖStA, HHStA, Hausarchiv, Ministerium des kaiserlichen Hauses, Verlassenschaften
Kt. 6.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken