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DIE PRIVATBIBLIOTHEKEN FRANZ’ I. UND FERDINANDS I. 1835–1848 119
Die dritte Quelle stellt der Aktenbestand des Archivs dar. Die darin sich
spiegelnden Bezüge hinsichtlich der Bestandvermehrung sind mannigfaltig
und können hier nur schlaglichtartig skizziert werden. Hinsichtlich der Flut
an unaufgefordert überreichten Druckwerken und Grafikblättern werden
großteils wiederum jene Schemata sichtbar, die auch für die Sammeltätig-
keit Kaiser Franz’ I. aufgedeckt werden konnten und deren Zurückdrän-
gung bereits besprochen wurde.354 Bei der Durchsicht der Akten lässt sich
im Vergleich zur Regierungszeit des Kaisers Franz eine Zunahme der Anfra-
gen von Schriftstellern und Künstlern vor allem bezüglich der Bewilligung
der Dedikation ihrer Werke an den Kaiser feststellen. Dieser Umstand wäre
vor dem Hintergrund des gewandelten bürgerlichen Selbstverständnisses
im Vormärz weiter zu reflektieren. Solche Dedikationen dienten abseits der
vordergründigen Ehrerweisung hauptsächlich der Absatzförderung.355 Ab
1839 wird das Oberstkämmereramt auch mit der Prüfung solcher Anfragen
betreut, weshalb sich die Korrespondenz weitgehend im Haus-, Hof- und
Staatsarchiv befindet.356
Erwähnenswert ist überdies die auffallend starke Präsenz jüdischer
Schriftsteller und Literaten. Diese auf Grundlage der Toleranzpatente und
der europäischen Aufklärung – Stichwort „Haskala“ – im 19. Jahrhundert
wachsende Gruppe spiegelt sich schließlich auch im Aktenbestand der fer-
dinandeischen Privatbibliothek wider.357 Autoren wie der Satiriker Moritz
Gottlieb Saphir, der 1842 eine Ausgabe seiner sechsbändigen „Humoristi-
schen Damen-Bibliothek“358 und 1845 sein „Fliegendes Album für Ernst,
Scherz, Humor und lebensfrohe Laune“359 überreicht, der Wiener Kaufmann
Ludwig Paneth, der 1843 das Gedicht „Des Kaisers Zierde“ in hebräischer
Sprache übergibt,360 der Schriftsteller Max Emanuel Stern oder der Dichter
und Orientalist Max (Meir) Letteris, die der Ferdinandea jeweils eine Viel-
zahl ihrer Publikationen verehren,361 der Poet Salomon Hermann Mosen-
thal, der zahlreiche seiner Gedichte – später auch an Kaiserin Elisabeth –
übersendet,362 der Gelehrte Ephraim Moses Pinner, dessen erster Versuch
einer deutschen Talmudübersetzung von Kaiser Ferdinand sogar subskri-
354 Vgl. Abschnitt 3.3 bzw. zu Franz I. Huber-Frischeis/Knieling/Valenta, Privatbibliothek,
19, 77f.
355 Huber-Frischeis/Knieling/Valenta, Privatbibliothek, 500–503.
356 Vgl. Abschnitt 3.3.
357 Brugger/Kail/Lichtblau, Juden, 419f.
358 FERD 5.029, FKBA23177.
359 FERD 5.030, FKBA25017.
360 Ferd.alt.Sign. 3.226 (wurde 1875 in Prag ausgeschieden), FKBA24090.
361 (Stern) FKBA24075, 25054 u. 25108; (Letteris) FKBA25083 u. 25147.
362 FKBA25094, 26038 u. 26052.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken