Page - 135 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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DIE PRIVATBIBLIOTHEKEN FRANZ’ I. UND FERDINANDS I. 1835–1848 135
Gross, den von ihm komponierten „Jubel-Einzugs-Marsch“466. Und schließ-
lich bittet der bereits genannte jüdische Schriftsteller und Journalist Moritz
Gottlieb Saphir den Kaiser um finanzielle Unterstützung für seine „politi-
sche Zeitung auf Aktien“ welche „der gesetzlichen Freiheit und der Entwick-
lung der konstitutionellen Monarchie gewidmet sein soll“.467 Wenige Tage
vor Ausbruch der Wiener Oktoberrevolution überreicht der Privatbeamte
Joseph Schulz sein Werk „Der Wegweiser durch das constitutionelle Leben,
oder: Die wichtigsten Bedürfnisse im Interesse der Gegenwart. Ein Denk-
und Erinnerungs-Buch für alle Stände“ (Wien 1848)468. Bei der Lektüre die-
ses Buches wird offensichtlich, dass die Zensur bereits abgeschafft war, da
Schulz mit einer verblüffenden Offenheit die aktuelle politische und soziale
Situation beschreibt und kritisiert. Im November kauft die Privatbibliothek
ein lithografiertes Porträt des am 6. Oktober gelynchten Hofkriegsratspräsi-
denten Theodor Baillet von Latour an,469 im Dezember 80 kolorierte Blätter
„mit satyrischen Skizzirungen des Pariser Volkslebens“470 sowie bei der Wie-
ner Kunsthandlung Neumann ein nicht näher bezeichnetes „Heft Kriegs-
scenen“ und die Blätter „Croaten Bivouac – Einzug des Generals Jellacic –
Seresaner – Croaten Lager“471. Zu Beginn des Jahres 1849, also schon unter
der Regierung Franz Josephs, meldet der Obersthofmeister und gleichzeitig
stellvertretende Oberstkämmerer Karl Ludwig Graf Grünne die Überrei-
chung des Werkes „Sitz-Ordnung im Reichstags-Saale sämmtlicher Herren
Abgeordneten zum ersten constituirenden Reichstage in Wien, mit genauer
Angabe ihres Characters & Wahlbezirkes“ von Wenzel August Neumann.472
Und schließlich steht eine der wenigen in der Sammlung noch vorhandenen
Realien ebenfalls in direktem Zusammenhang mit den Ereignissen von
1848. Es handelt sich um eine eiserne Kanonenkugel mit einem Durchmes-
ser von 90 Millimeter, die bei der Bombardierung Wiens am 31. Oktober
1848 in das Billardzimmer des zu diesem Zeitpunkt in Olmütz befindlichen
Kaisers Ferdinand flog, wie die Inschrift darauf bezeugt.473 Wie sie ihren
Weg in die Sammlung fand ist völlig unklar. Ihr Vorhandensein zeigt jedoch,
466 FKBA25150.
467 FKBA25168.
468 FKBJ1848–1849, 1848 Post Nr. 110, Beleg Nr. 34; FERD 6.942.
469 FKBJ1848–1849, 1848 Post Nr. 120.
470 FKBJ1848–1849, 1848 Post Nr. 144, Beleg Nr. 46.
471 FKBJ1848–1849, 1848 Post Nr. 148, Beleg Nr. 50 („Kroaten Bivouac, im October 1848
vor Wien“ Wien, ÖNB, BAG, Pk 3.001, 16, die anderen Blätter liegen vermutlich unter
Pk 3.049).
472 FKBA26009; FERD 5.814.
473 Wien, ÖNB, BAG, Pk 4.818, „Flog in das Billardzimmer S[einer] M[ajestät] des Kaisers
Ferdinand Ite den 31ten October [1]848 Zu Wien.“
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken