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DIE PRIVATBIBLIOTHEK FERDINANDS IN PRAG 1850–1875 151
geordnetenhaus. Zu Beginn seiner letzten Legislaturperiode war er sogar
dessen Alterspräsident (7. Oktober 1879).509
Für seine zahlreichen Verdienste wurde Negrelli von kirchlicher Seite
zum päpstlichen Prälaten und Protonotar der Erzdiözese Prag ernannt, sein
weltliches Wirken würdigte man am 7. Februar 1876, wohl in Zusammen-
hang mit dem Ableben Kaiser Ferdinands und dem Rücktransport der Ferdi-
nandea nach Wien, mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens.510
4.2.2 Franz Geringer
Mit Geringer betritt ein Mann die Bühne, der als eine der, wenn nicht sogar
als die einflussreichste Persönlichkeit am Hof Ferdinands in Prag bezeich-
net werden kann. Hofkaplan Hermann Diechtl nennt ihn in einem Brief an
Obersthofmeister Graf Brandis einmal „den bösen Geist des Hofes“.511 Die
im Zusammenhang mit diesem Beitrag analysierten Archivalien bestätigen
zwar keine wie immer geartete Bösartigkeit, sie zeigen aber sehr wohl auf,
dass Geringer als Akteur in der zweiten Reihe scheinbar alle wichtigen Fä-
den in der Hand hielt und zugleich beste Kontakte zum Hof in Wien pflegte.
Sein Einfluss ist sowohl bei Finanz- als auch bei Personalangelegenheiten
offensichtlich, wie in den folgenden Abschnitten zu zeigen sein wird.
Zu seinem Werdegang ist etwas mehr substanzielles Quellenmaterial vor-
handen als zu Negrelli. Aufzeichnungen des Finanz- und Hofkammerarchivs
zufolge wird er am 23. November 1803 im niederösterreichischen Geras ge-
boren. Die diesbezüglichen Pfarrmatriken geben den Tischlermeister An-
ton Geringer und seine Frau Theresia, Tochter des Kottauner Schullehrers
Joseph Böhm, als seine Eltern an.512 Er wird also in keine Beamtenfamilie
und weit ab der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien geboren. In den Rech-
nungsbüchern der k. k. Privatkasse wird er 1844 erstmals erwähnt, als der
Privatsekretär Kaiser Ferdinands, Mathias Buchholz, unter Fortzahlung
seines vollen Gehalts (800 fl., 160 fl. Quartiergeld, 400 fl. Zulage) von sei-
nem Dienst „dispensirt“ wird und Geringer – als bisheriger „Concept Practi-
kant“ – diesen Posten (wohl provisorisch) mit einem Jahresgehalt von 600 fl.
übernimmt.513 Provisorisch deshalb, weil Geringer im Hof- und Staatssche-
509 Vgl. Adlgasser, Zentralparlamente Bd. 1, 838f.
510 Die Presse Nr. 29 v. 30.01.1890, 9. Dem dort veröffentlichten kurzen Nachruf wurden ei-
nige biografische Informationen entnommen.
511 Kramp, Brandis, 377 Anm. 2089.
512 Pfarre Geras, Taufbuch 1781–1820, fol. 24.
513 Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF Ä.R., Rechnungbuch 1844 (= Nr. 50, alt Nr. 449), pag. 182.
Nachdem dieser Eintrag auf die Protokoll-Nr. 278/1843 verweist, ist anzunehmen, dass
dieser Personalwechsel schon im Jahr zuvor verfügt worden war.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken