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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN154
4.2.3 Clemens Graf Brandis
Brandis, über den eine ausführliche Biografie existiert,523 fungierte als erster
Obersthofmeister Ferdinands nach dessen Abdankung. Der persönliche Kon-
takt zum Kaiser dürfte sich bei dessen Aufenthalt in Innsbruck im Sommer
1848 nach seiner Flucht aus Wien verfestigt haben, als Brandis in seiner
Funktion als Gouverneur von Tirol und Vorarlberg und Landeshauptmann
für die Beherbergung und den Schutz des Monarchen verantwortlich zeich-
nete. Seine Entlassung aus diesem Amt durch das Wiener Ministerium,
ohne dass Ferdinand, in dessen Namen sie ausgesprochen wurde, etwas da-
von wusste, trug vermutlich dazu bei, ihn anschließend zum Obersthofmeis-
ter zu ernennen – vielleicht eine Art der Kompensation. Brandis’ Aufgaben
waren zahlreich. Kaiser Ferdinand hatte sich im Zuge seiner Abdankung le-
diglich seine „kaiserliche Würde“ vorbehalten, weshalb er zur Erhaltung der-
selben und aus Repräsentationsgründen seinen Hofstaat (etwa 75 Personen)
weiterführen wollte, was alleine schon Unsummen verschlang. Seine recht-
liche Stellung war ungesichert, da es keine Vergleichsfälle ähnlicher Rück-
tritte in der Vergangenheit gab. Von der Wahl der künftigen Residenz bis zur
Trennung des Hofstaats und der Aufteilung der Privatkasse – die Behand-
lung all dieser heiklen Themen fiel nun in die Zuständigkeit von Brandis
und konnten schließlich zur Zufriedenheit des Kaiserpaares gelöst werden.
Dennoch erfolgte seine Abberufung schon im November 1851, was wohl auf
ein völlig zerrüttetes Verhältnis zur Kaiserin Maria Anna zurückzuführen
ist. Differierende Ansichten über die Ausstattung der Appartements in der
Prager Burg, sowie die Renovierung der Schlösser in Reichstadt und Plosch-
kowitz, führten zusammen mit angeblichen Kompetenzüberschreitungen bei
der Führung des kaiserlichen Haushalts – bis hin zu Insubordinationsvor-
würfen – zu seiner Entlassung. Brandis zufolge soll jedoch ein Kammerdie-
ner die nach Ansicht Maria Annas viel zu luxuriösen Ausstattungen in Auf-
trag gegeben haben. Später machte er eine Kammerdienerin und vor allem
Intendant Geringer für diese Intrige verantwortlich.524
4.2.4 René-Charles Graf Bombelles
Brandis’ Nachfolger ist zweifelsohne die schillerndste der vier hier vorge-
stellten Persönlichkeiten, handelt es sich bei René-Charles Graf Bombelles
doch um den dritten Ehemann der 1847 verstorbenen Erzherzogin Marie-
Louise, der Tochter Kaiser Franz’ I., Gemahlin Napoleons, Schwester Ferdi-
523 Kramp, Brandis.
524 Ebenda, 426–431.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken