Page - 175 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
Image of the Page - 175 -
Text of the Page - 175 -
DIE PRIVATBIBLIOTHEK FERDINANDS IN PRAG 1850–1875 175
Zusammenfassend bleibt anzumerken, dass das in diesem Abschnitt an-
gedeutete zwar Grundlegendes doch lediglich nur einen Bruchteil dessen
wiedergibt, was über Ferdinands Prager Zeit aus dem Aktenmaterial des
Narodni Archivs (Obersthofmistra) zu extrahieren wäre. Abseits der biblio-
thekarischen Agenden spiegelt es das breite Spektrum des obersthofmeis-
terlichen Zuständigkeitsbereichs wider. Das Schriftgut gibt beispielsweise
genaue Auskunft über die Entourage, die im Zuge der Abdankung und der
Abreise Ferdinands aus Olmütz mit nach Prag genommen wurde. Listen
verzeichnen etwa 41 Pferde mit Namen und Geburtsjahrgang, 29 Wägen
nach Gattungen sowie alle tierärztlichen Gegenstände, das Zuggeschirr,
die Reitequipagen und Stallrequisiten.595 Der Auftrag zur Anfertigung eines
Silbertafelservices für 50 Personen beim Wiener k. k. priv. Silberwarenfa-
brikanten Mayerhofer & Klinkosch im Jahre 1853 zum Preis von beinahe
50.000 fl., lässt die fürstliche Pracht der kaiserlichen Mahlzeiten erahnen
und die Bestellung von 150 Flaschen Rheinwein und je 50 Flaschen Tokajer
Essenz und Ausbruch aus dem Wiener Hofkeller 1851 gewährt einen Ein-
blick in die dazugehörigen Trinkgewohnheiten des Prager Hofes.596
Hinsichtlich der Neuzugänge in Bibliothek und Kunstsammlung, auf den
sich dieser Beitrag ja fokussiert, bleibt abschließend ein tendenziell nega-
tives Resümee Moritz von Beckers anzuführen, das dieser anlässlich der
Rückübersiedelung der Bibliothek 1875 nach Wien anstellt:
„Von den Büchern und artistischen Blättern zeigen sich jene, die von weiland
Seiner Majestät dem Kaiser Ferdinand [1850] von Wien nach Prag mitgenom-
men wurden, auffällig als die werthvollsten sowol in wissenschaftlicher als
artistischer Beziehung; in der Folgezeit [in Prag] scheint ohne ein leitendes
Prinzip gesammelt worden zu sein; die früher gehegten Naturwissenschaften
treten in den Hintergrund und die Gelegenheits-Literatur breitet sich aus.“597
Dennoch stellt der Gesamtbestand der Ferdinandea eine wertvolle Bereiche-
rung für die Privatbibliothek Franz Josephs dar, als die Bestände vereinigt
werden. Die „reichliche Erweiterung“ findet laut Becker vor allem in den
Disziplinen Erdkunde/Reisebeschreibungen und Geschichte sowie in den
Naturwissenschaften statt.598
595 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 10, Kt. 10.
596 Prag, Narodni Archiv, hofmistra cisare Ferdinanda I., Rubr. 27, Kt. 152.
597 FKBA28015, fol. 1v.
598 FKBA28052, fol. 4v.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken