Page - 697 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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BIBLIOTHEK UND ÖFFENTLICHKEIT 697
konservierte Wissen in irgendeiner Form zu verwerten. Im Wesentlichen um-
fasste dies das Literaturstudium, private Recherchen und wissenschaftliche
Forschung. In seltenen Fällen kam es auch vor, dass Personen, die einen pri-
vilegierten Zugang zur Sammlung hatten, Belletristik zu Unterhaltungszwe-
cken entlehnten.974 Doch mit diesen Leserbedürfnissen, die eine öffentliche
Bibliothek üblicherweise zu erfüllen hat, erschöpfte sich die Spanne der Ver-
wendungsabsichten nicht. Vor allem wenn Werke oder Teile von solchen foto-
grafiert und reproduziert wurden, waren eine ganze Reihe weiterer Gründe
ausschlaggebend. Der mit Abstand häufigste Anlass war die Illustration von
Büchern mit Abbildungen aus den Grafikbeständen (in erster Linie aus der
Porträtsammlung). Die primäre Motivation konnte dabei jedoch auch darin
bestehen, ein Bild- oder Schriftdokument überhaupt zu veröffentlichen. Dies
war, wie wir im dritten Teil noch genauer sehen werden, nach der Jahrhun-
dertwende bevorzugt bei den persönlichen Zeichnungen und Schriften des
Kaisers bzw. anderer Mitglieder der Dynastie der Fall (vgl. Abschnitt 3.4).
Fotografische Reproduktionen wurden aber auch für Diavorträge975 angefer-
tigt oder für Bildnisgalerien, mit denen die Offiziersmessen zahlreicher Re-
gimenter der Monarchie ausgestattet wurden. Diese zuletzt genannte Inan-
spruchnahme der Porträtsammlung ebenso wie deren Nutzung für öffentliche
Denkmäler oder Skulpturen- und Gemäldezyklen in öffentlichen Gebäuden
sind Gegebenheiten, die in der Korrespondenz der Fideikommissbibliothek
mit notorischer Häufigkeit auftreten und deshalb in eigenen Abschnitten nä-
her beleuchtet werden (vgl. Abschnitt 2.2.4 u. Abschnitt 2.2.5).
2.2.1 Benutzung vor Ort versus Entlehnung
Im Folgenden soll es darum gehen die Entwicklung der Modalitäten der Be-
nutzung der Fideikommissbibliothek zu Studienzwecken anhand konkreter
Fallbeispiele und gemäß der Evidenz der Quellen zu rekonstruieren. Ich
werde mich dabei ausschließlich auf die formalen Aspekte beschränken, da
der Darstellung ausgewählter Forschungen an Beständen der Sammlung
weiter unten ein eigener Abschnitt gewidmet ist (Abschnitt 2.2.3). Grob ge-
sprochen bestanden zwei Möglichkeiten für die Einsichtnahme von Büchern,
Handschriften und Grafiken: vor Ort in der Sammlung oder nach Entleh-
nung der Objekte. Die Bereitwilligkeit zur Genehmigung der letzteren war
natürlich geringer, vor allem dann, wenn es sich um wertvolle Bestände han-
delte. Umgekehrt bestand bei den potenziellen Nutzern aus naheliegenden
Gründen eine starke Tendenz zum Gebrauch der begehrten literarischen
974 FKBA34184.
975 FKBA37261, FKBA38006.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken