Page - 709 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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BIBLIOTHEK UND ÖFFENTLICHKEIT 709
öffentliche Bibliothek wäre, meistens aber, dass der Verleih von Sammlungs-
objekten aufgrund der „bestehenden Vorschriften“ etc. nicht möglich wäre.
Nirgendwo finden sich jedoch Hinweise, worin diese „Vorschriften“ bestün-
den und wer sie aufgestellt hatte. Andererseits genügte manchmal der per-
sönliche Kontakt zum Bibliotheksleiter, um die Herausgabe von Beständen
zu ermöglichen, die unter sonst gleichen Bedingungen niemals versendet
worden wären.1018
Der institutionelle Verleih von Sammlungsobjekten, den die Fideikom-
missbibliothek in der geschilderten eingeschränkten Form betrieb, war aber
keine einseitige Angelegenheit. Denn es wurden auch von eigener Seite Bü-
cher und Archivalien aus in- und ausländischen öffentlichen Bibliotheken
und Sammlungen für Studienzwecke entlehnt.1019 Es entbehrt nicht einer ge-
wissen Ironie, dass diese Praxis gerade unter Schnürer besonders florierte,
der selbst wiederum die einmal etablierten Modalitäten der Entlehnung von
Werken aus der Fideikommissbibliothek massiv beschränkte. Nicht nur die
Bibliotheksbeamten nutzten die Fernleihe für eigene Studien, sondern auch
außenstehende Personen, die offensichtlich in gutem Kontakt mit Schnürer
oder seinen Mitarbeitern standen und mit den entlehnten Werken in den
Bibliotheksräumlichkeiten arbeiten konnten.1020 Das konnte andererseits
dazu führen, dass man sich in der Fideikommissbibliothek genötigt sah, die
eigenen Ausleih-Normen gegenüber bestimmten Institutionen liberaler zu
handhaben: Wahrscheinlich gewährte Schnürer den Verleih von zehn Port-
rätgrafiken an die Hof- und Staatsbibliothek in München zu Reproduktions-
zwecken nur deshalb, weil die Fideikommissbibliothek gerade von dort zuvor
in umfangreichem Ausmaß Bücher entlehnt hatte.1021
Als Ergänzung zum bisher Gesagten muss hinzugefügt werden, dass un-
ter bestimmten Rahmenbedingungen der Verleih von Sammlungsobjekten –
von wenigen Ausnahmen abgesehen – nahezu uneingeschränkt gestattet
wurde: nämlich zu Ausstellungszwecken und für die fotografische Reproduk-
tion in einer Wiener Anstalt (v. a. bei Angerer & Göschl, im militär-geografi-
schen Institut und in der grafischen Lehr- und Versuchsanstalt). Für diese
Formen der Nutzung des Sammlungsgutes hatten sich Routinen herausge-
1018 So wurden der Verlagsanstalt Manz in Regensburg 13 Porträtgrafiken offensichtlich nur
deshalb für Reproduktionszwecke zur Verfügung gestellt, weil die Autorin des damit zu
illustrierenden Buches die mit Schnürer befreundete und vom ihm geförderte Schriftstel-
lerin Hanny Brentano war (FKBA38054).
1019 1896 dürfte dies erstmals der Fall gewesen sein (vgl. FKBA35063).
1020 FKBA35243, FKBA37045, FKBA37147, FKBA37154, FKBA37262, FKBA38212,
FKBA39056, FKBA39101, FKBA4022, FKBA4030, FKBA4031, FKBA4032, FKBA4057,
FKBA4087, FKBA41078, FKBA42020.
1021 FKBA40078.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken