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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM760
der Fideikommissbibliothek; dieser hatte eine Gesamtausgabe der Werke
Beethovens herausgegeben und wollte nun die beiden Kantaten in einem
Supplementband veröffentlichen. Becker beantragte bei Kabinettsdirektor
Braun die Erwirkung der kaiserlichen Genehmigung des Gesuchs, formu-
lierte jedoch drei Bedingungen an den Verlag: Die kritische Prüfung der
Manuskripte hätte in den Räumlichkeiten der Fideikommissbibliothek zu
erfolgen, „die Abschrift der Cantaten für den Druck [sollte] unter meiner
Aufsicht von einem von mir gewählten Copisten besorgt und gegen Erstat-
tung der Copiaturkosten Ihnen übermittelt werde[n]“ und der Verlag sollte
nach Fertigstellung des Druckes drei Exemplare zur Verfügung stellen, von
denen eines in der Fideikommissbibliothek zu verbleiben hätte.1246 Franz
Joseph genehmigte alles außer den letzten Punkt. Der Kaiser war mögli-
cherweise nicht gewillt, Geschenke einzufordern, was man ihm als unred-
lichen Gebrauch seiner Machtposition hätte auslegen können.1247 Für die
Überprüfung der Originalpartituren, welche Voraussetzung für deren Veröf-
fentlichung als Werke Beethovens war, hatte man – auf Empfehlung von Jo-
hannes Brahms – Eusebius Mandyczewski (1857–1929) auserkoren, durch
dessen Vermittlung bis Ende Jänner 1886 die Abschriften als Vorlagen für
den Druck beim Verlag in Leipzig einlangten.1248 In der Zwischenzeit bean-
tragten weitere Chorvereine in Berlin und Hamburg, die von der Existenz
von Beethovens Trauerkantate durch das Konzert in Bonn erfahren hatten,
die Überlassung der Partitur zwecks Aufführung. Sie wurden von Becker
auf deren baldige Veröffentlichung im Druck verwiesen.1249
Die letzte wissenschaftliche Bearbeitung eines Bestandes der Fideikom-
missbibliothek, die hier Erwähnung finden soll, fällt in den Bereich der
Kunstgeschichte. Sie berührt zugleich einen Abschnitt aus der Geschichte
der „Wiener Schule“ dieser Disziplin: Julius von Schlossers Beschäfti-
gung mit der „Porträtbildnerei in Wachs“. Die Fideikommissbibliothek
besaß nämlich neun Bildniswerke aus diesem Material – vor allem Büs-
ten –, die ihren Gründer Kaiser Franz II./I. und einige seiner nahen Ver-
wandten darstellen. Eines davon – die Büste Leopolds II. – wurde an der
Jahreswende 1900/1901 in einer Gedenkausstellung für den Komponisten
Domenico Cimarosa in Wien gezeigt.1250 Dadurch dürfte Schlosser auf den
Bestand aufmerksam geworden sein, denn er schrieb im Jahr 1905, dass die
1246 FKBA31026, fol. 9r u. 12r.
1247 Nichtsdestotrotz übersandte der Verlag Breitkopf & Härtel im Juni 1888 ein Belegexem-
plar des Supplementbandes an die Fideikommissbibliothek, was wohl auch eine Prestige-
frage war (FKBA31026, 22r).
1248 Ebenda, fol. 15–19.
1249 FKBA31028, FKBA31030.
1250 FKBA36024, fol. 11v.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken