Page - 776 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM776
Auch hier lässt sich die Vorlage aufgrund der Angaben im Ausleihjournal ge-
nau identifizieren: Es handelt sich um einen Kupferstich von Josef Bramati
nach einer Zeichnung von Franz Vischer aus einer Serie, die die Reliefs am
Sarkophag des Maximiliangrabmals abbildet. Erneut hat Weyr das Vorbild
verändert, anscheinend um die durch die geringe Größe und die halbseitige
Abdeckung der Darstellung eingeschränkte Lesbarkeit zu erhöhen.
Für das vierte Relief hat Weyr nachweislich Bildnisse von Kaiser Ru-
dolf II., Octavio Strada und Adrian de Vries entlehnt. Nur die zeitgenössi-
sche Darstellung des letzteren hat insofern Spuren in der Komposition des
Kuppelreliefs hinterlassen, als er dort mit derselben Statuette in Händen
abgebildet ist. Bezeichnend für die Diskrepanz zwischen dem Streben nach
historisch „authentischen“ Darstellungen, das sich im der Suche nach Vor-
lagen bekundet, und dem zeitgenössischen Geschmack und der Imagination
des Künstlers, die sich in der Konstruktion der Bilder manifestieren, ist der
Umstand, dass im Relief nicht Octavio, sondern Jacopo Strada dargestellt
ist, von dem allerdings anscheinend kein zeitgenössisches Porträt in den Be-
ständen der Fideikommissbibliothek aufzufinden war.
Die Darstellungen von Erzherzog Leopold Wilhelm und dessen Hofmaler
David Teniers d. J. im fünften Relief lehnen sich hingegen sehr eng an die
nachweislich entlehnten Vorlagen an (Abb. 38), und zwar sowohl im Hinblick
auf die Physiognomien als auch was die Gestaltung des Kostüms betrifft.
Weyr hat für diese Komposition außerdem Bildnisse von Adriaen van Ostade
und Adriaen Brouwer entlehnt, diese dann aber doch nicht als Personen wie-
dergegeben, sondern rechts und links von der Hauptgruppe zwei genrehafte
Szenen angeordnet, die offensichtlich auf Werke der beiden genannten Maler
rekurrieren.
Als letzten Bildvergleich bringe ich die Darstellung von Georg Raphael
Donner im siebten Relief (Mäzenatentum Kaiser Karls VI.) und den Stich
von Jakob Schmutzer nach dem beaknnten Porträtgemälde Donners von
Paul Troger, der Weyr von der Fideikommissbibliothek ausgehängt worden
war (Abb. 39). Hier lässt sich zumindest physiognomisch keinerlei Ähnlich-
keit konstatieren. Wie bei zahlreichen anderen Bildnissen der Kuppelreliefs
wurden die Gesichtszüge dem Geschmack des 19. Jahrhunderts angepasst.
Dies gilt wohl auch für die Darstellung von Carl Gustav Heraeus in der glei-
chen Komposition, die in keinem Aspekt den zeitgenössischen Bildnissen
entspricht.
Die übrigen Fälle von Innenraumausstattungen, bei denen Grafiken aus
der Porträtsammlung als Vorlagen für bildkünstlerische Gestaltungen ver-
wendet wurden, lassen sich allesamt einer bestimmten Kategorie unterord-
nen: Es handelt sich um Bildnisgalerien, die entweder Amtsinhaber oder
Ahnenreihen einer adeligen Familie zeigen. Bereits in den Jahren 1874–76
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken