Page - 815 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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GENESE EINER HABSBURG-LOTHRINGISCHEN FAMILIENSAMMLUNG 815
der Fideikommissbibliothek angegeben ist,1433 und die hier zutage tretende
Missdeutung ist umso erstaunlicher, als es ja gerade jene Fokussierung des
Sammlungsschwerpunktes war, die auch mit dem von Chertek gebilligten
Regulativ bezweckt wurde. Vielleicht stand der Generaldirektor hier unter
dem Einfluss von Karpfs Einwänden, die er zu widerlegen suchte. Chertek
wollte Beckers Programm durch die „Formulierung positiver Grundsätze“
jedenfalls konkretisieren und sah diese in den Satzungen des neuen Regu-
lativs verwirklicht, durch welche das dort „selbst zum Ausdrucke gebrachte
Ziel: wonach die Bibliothek allmählig den Charakter einer Bibliotheca Habs-
burgica zu gewinnen habe, in absehbarer Zeit erreicht werde“.1434 Alle Er-
werbungen, die Geldmittel in Anspruch nehmen und „die Erreichung des
erwähnten Zieles hinauszuschieben geeignet sind“, hätten demnach in Zu-
kunft zu unterbleiben.1435 Diese Äußerung macht erneut deutlich, dass für
die Entscheidung des Generaldirektors auch ökonomische Erwägungen eine
Rolle spielten.
Karpfs Einwände waren nicht ganz unbegründet, auch wenn er es nicht ver-
stand, sie als schlüssige Argumentation zu formulieren. Denn in Beckers Ar-
beitsprogramm wurde das Sammeln von Austriaca und Habsburgica zwar
als ein, jedoch nicht als der alleinige Schwerpunkt der Erwerbungspolitik
definiert. Unter anderem machte er den Ankauf eines Werkes auch von des-
sen wissenschaftlichem Wert und von seiner Brauchbarkeit als Ergänzung
bereits vorhandener Bestände abhängig; darüber hinaus waren für Becker
ein wichtiges Ankaufskriterium die Bedürfnisse der kaiserlichen Familie,
was in erster Linie bedeutete, dass die Fideikommissbibliothek für Unter-
richtszwecke genutzt werden sollte; und schließlich wollte er die Bestände
zu Forst- und Jagdwesen sammeln und ausbauen.1436 Sieht man von diesen
Bestimmungen einmal ab, so standen die Forderungen in Schnürers „Re-
gulativ“ aber auch nicht im Einklang mit der Zusammensetzung der über-
kommenen Bestände und mit der bisherigen, eher durch Zufälle geleiteten
Praxis der Bestandserweiterung. Schnürer selbst hatte diese Umstände be-
reits treffend in einer früheren, wahrscheinlich im April des Jahres 1899
verfassten Denkschrift beschrieben:
„[…] durch Widmung und Erbschaft kamen die disparatesten Objecte in die
Sammlung, – und was durch Ankauf dahin gelangte, spiegelte zumeist nur
1433 FKBA26135, p. 18, 21, 23, 24, 32, 33, 43, 56.
1434 FKBA37193, fol. 12r, Unterstreichung im Original.
1435 Ebenda, fol. 12r–v.
1436 FKBA26135, p. 19 u. 26.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken