Page - 836 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM836
von Einzelpersonen – zu hervorragenden Anlässen (Hochzeit, Geburtstag,
Thronjubiläum etc.) dargebracht wurden. Fast immer wurden diese kalligra-
fischen Erzeugnisse in künstlerisch aufwendig gestalteten Einbänden oder
Kassetten („Enveloppes“) überreicht.1488 Die Gelegenheiten für die Übergabe
der Adressen und ihr Einlangen in der Fideikommissbibliothek sind durch
Akten und Verzeichnisse gut dokumentiert (vgl. Tabelle 7); es wäre müßig,
darauf an dieser Stelle näher einzugehen. Dagegen soll im Folgenden ver-
sucht werden, die bislang kaum untersuchte Herkunft und Eigenart dieser
Objekte zu klären. Dies betrifft sowohl ihre Bezeichnung als auch die Form
ihrer äußeren Erscheinung sowie die zeitliche Abgrenzung ihres Auftretens.
Sämtliche Huldigungsadressen der Fideikommissbibliothek stammen näm-
lich aus der Zeit nach 1848.
Definitionen, was eine Huldigungsadresse genau ist, sind schwer zu fin-
den. Das Wort ist jedoch ein Kompositum; nach seinen Wortbestandteilen
bezeichnet es also eine Adresse, mit der eine Huldigung ausgesprochen wird.
Wir sollten deshalb zunächst klären, was unter einer „Adresse“ zu verstehen
ist. Einen eigenen Artikel zu diesem Ausdruck findet man in der „Real-En-
cyklopädie“ von Brockhaus das erste Mal in der siebenten Auflage aus dem
Jahr 1827;1489 er bedeutet demnach: „eine Anrede oder Zuschrift, Erlaß. Erst
in den neueren Zeiten hat man angefangen, auf den Ausdruck der öffentli-
chen Meinung, welcher in dieser Form gegeben wird, einen Werth zu legen
[…]“. Der Nachsatz macht deutlich, dass es sich um ein rezentes Phänomen
handelt, das mit den seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einset-
zenden Entwicklungen zu freier Meinungsäußerung und politischer Öffent-
lichkeit zusammenhängt. Nach Auskunft des Artikels liegen die Ursprünge
der Adressen zudem in England, „wo das Parlament gewohnt ist, die Eröff-
nungs- und Schlußreden des Königs mit einer Dankadresse zu beantworten
[…]“.1490 Der Kongress der Vereinigten Staaten hätte diesen Brauch über-
nommen. In den Staaten des deutschen Bundes wäre es den Ständever-
1488 Karolyi, Sematiken, 101. Die Literatur über Huldigungsadressen dürfte jüngeren Da-
tums sein und sich auf Aufstellungskataloge zu beschränken. Noch im Jahr 2001 schrieb
Gerda Mraz, dass über diese Objektklasse keine Literatur existiere (Mraz/Halama, Tirol
huldigt, 11). Soweit ich es überblicke, wurden Huldigungsadressen dabei v. a. unter den
Aspekten des Schenkens und der Huldigung sowie als Luxuserzeugnisse des Kunstge-
werbes gewürdigt. Eine geschichtliche Herleitung und präzise Einordnung, die auf der
Analyse der Bedeutung des Namensbestandteiles „Adresse“ beruht – wie ich es im Fol-
genden versuchen werde –, existiert meines Wissens nicht. Vgl. Ottillinger, Geschenke,
Mraz/Halama, Tirol huldigt, und die Beiträge in Fischer-Westhauser, Geschenke, v. a.
Fischer-Westhauser, Allergnädigster Kaiser, Fischer-Westhauser, Wirtschaft, u. Scholda,
Niello.
1489 Brockhaus, 7. Aufl., Bd. 1 (1827), 98f.
1490 Ebenda, 99.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken