Page - 867 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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GENESE EINER HABSBURG-LOTHRINGISCHEN FAMILIENSAMMLUNG 867
vermeintlichen Erzherzogin Anna und nachmaligen Königin von Frankreich
angeboten wurde, zeigte er sich durchaus interessiert. Der Kauf kam des-
wegen nicht zustande, weil sich die Angaben zu der dargestellten Person als
falsch erwiesen.1618
Die meisten erfolglos zum Kauf angebotenen Habsburgica waren aber
Objekte, von denen entweder behauptet wurde, dass sie von Habsburgern
geschaffen worden waren oder dass sie aus dem Besitz von Mitgliedern des
Herrscherhauses stammten. Das früheste Beispiel dieser Art datiert vom
Juni 1885. Damals bot der Berliner Antiquar Leo Liepmannssohn ein Ma-
nuskript für 300 Mark zum Kauf an: „eine vom Kaiser Ferdinand III. compo-
nierte Oper, mit Datum von 1649 u. vermuthlich das von ihm geschriebene
Original, welches er dem Pater Athanasius Kircher schenkte.“1619 Becker
zeigte sich durchaus interessiert, machte die Erwerbung jedoch abhängig
von „der Voraussetzung, dass dasselbe zweifellos das vom Kaiser geschrie-
bene Original und keine Abschrift desselben ist“.1620 Für die Feststellung der
Authentizität wäre die Zusendung einer Fotografie der ersten Seite hinrei-
chend, was darauf hindeutet, dass es dem Bibliotheksdirektor um einen Au-
tographenabgleich ging. Bereitwillig versandte Liepmannssohn am 13. Juni
das Manuskript selbst, welches Becker bereits drei Tage später wieder re-
tournierte, „da ich nach genauer Einsicht und Vergleichung nicht in der
Lage bin, von ihrem Antrage Gebrauch zu machen.“1621 Anscheinend han-
delte es sich doch nicht um „das vom Kaiser geschriebene Original“.
Weitere Angebote betrafen Zeichnungen, die Habsburgern zugeschrieben
wurden. Im April 1907 wurde der Fideikommissbibliothek ein Heiligenbild-
chen offeriert, das Erzherzog Rudolf (1788–1831), einst Erzbischof von Ol-
mütz, hätte gemalt haben sollen. Der Offerent, ein Pfarrer aus Tornaszen-
tandrás (Nordungarn), hatte das Werk zunächst an die Kabinettskanzlei des
Kaisers eingesandt. Von dort ging es an das Oberstkämmereramt und von
diesem weiter an die Fideikommissbibliothek zur Begutachtung. Schnürer
lehnte das Angebot mit der Begründung ab, dass „die Authentizität des an-
gebotenen Bildchens nur auf einer durch nichts beglaubigten Familientradi-
tion beruht und jeder dokumentarischen Festlegung ermangelt, da weiters
weiland Erzherzog Rudolf (Fürstbischof von Olmütz) sich zwar gelegentlich
in Radierungen versucht hat, als Maler aber nirgends bekannt oder genannt
ist“.1622
1618 FKBA41057. Eine Fotografie des angebotenen Gemäldes liegt dem Akt bei.
1619 FKBA31020, fol. 3v.
1620 FKBA31020, fol. 4r.
1621 FKBA31020, fol. 7r.
1622 FKBA37213, fol. 1v.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken