Page - 884 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM884
es, die zu Beginn des neuen Jahrhunderts tatsächlich die Neugierde und das
Interesse der Öffentlichkeit in besonderem Maße erregte (vgl. Abschnitt 3.4).
Bevor wir im weiteren Verlauf des Diskurses rund um die Planung des Habs-
burgermuseums voranschreiten, muss ein nicht unerheblicher Aspekt kurz
angesprochen werden. Das Projekt war ja zunächst der Phantasie eines
Bibliotheksbeamten entsprungen; es wurde von Generaldirektor Chertek
lediglich gefördert. Doch existiert von diesem keine ausführliche Stellung-
nahme darüber, in welche Richtung und mit welcher Strategie der Plan wei-
terverfolgt werden sollte. Nichts deutet außerdem darauf hin, dass die Idee
auch öffentlich diskutiert wurde beziehungsweise, dass sie in Kreise des Ho-
fes und der kaiserlichen Familie bis hin zum Monarchen selbst gedrungen
wäre. Unter diesen Umständen kann man kaum von einer staatlichen „Pro-
paganda-Aktion“ sprechen, wenngleich die Argumentation Schnürers dieser
strategischen Ausrichtung durchaus hätte Vorschub leisten können. Dass
sie letztlich auf so wenig fruchtbaren Boden fiel, könnte durchaus den Ein-
stellungen und dem Mangel, die Zeichen der Zeit zu verstehen, geschuldet
sein, die damals in den führenden Kreisen des Wiener Hofes und nicht zu-
letzt beim Kaiser selbst vorherrschten. Aufschlussreich im Hinblick auf diese
Situation ist wohl der Vortrag, mit dem der Obersthofmeister Ende Februar
1902 Franz Joseph die jüngst gefundene Lösung für die Unterbringung der
Fideikommissbibliothek zur Genehmigung vorlegte. Dieser hält lediglich fest,
dass die Räumlichkeiten im Souterrain und Parterre des Corps de logis der
Neuen Burg genug Platz böten, um „hervorragende Stücke der Sammlung
und solche Gegenstände, welche für die Geschichte des Allerhöchsten Kaiser-
hauses und seiner Mitglieder von Wert sind, in entsprechender Aufstellung
eventuell einer weiteren Öffentlichkeit und allgemeinen Nutzbarmachung
zuzuführen“.1685 Das ist der einzige (indirekte) Hinweis auf das Habsburger-
museum, von dem in diesem Schreiben sonst nicht weiter die Rede ist. Auch
in den zuvor zitierten Akten gibt es keine Andeutung, dass das Projekt dem
Monarchen oder einem anderen Mitglied der kaiserlichen Familie vorgelegt
worden ist. Sieht man von der unumstrittenen Tatsache der obersten Verfü-
gungsgewalt ab, so wäre die Einbeziehung der durch das Museum unmittel-
bar betroffenen Personen in das Unterfangen erwartbar. In diesem Aspekt
unterscheidet sich die Sachlage in Wien grundlegend von jener in Berlin, wo
Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Friedrich III.) persönlich
bei der Gründung des Hohenzollernmuseums engagiert war.1686
1685 HHStA, OMeA, Akten-Hauptreihe 1781–1921, Kt. 1532 (1902), R. 21/D/3: Vortrag des
Obersthofmeister an den Kaiser vom 28.02.1902, [fol. 4v].
1686 Lindenberg, Hohenzollern-Museum, 5; Luh, Hohenzollern-Museum, 201f. Auch nach dem
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken