Page - 923 - in Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918 - Metamorphosen einer Sammlung
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ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN 923
lichmachung der Sammlung“ nach dem Vorbild der Albertina und der Na-
tionalbibliothek mit den Worten kommentierte, dass dadurch „lediglich ein
seit Jahrzehnten tatsächlich bestehender Zustand kodifiziert würde“.1800 Die
manifeste Veränderung war also zwar gewissermaßen „über Nacht“ durch
die Veränderung der Rahmenbedingungen („Untergang“ der Monarchie,
Verstaatlichung des Habsburg-lothringischen Privatvermögens) erfolgt; sie
war allerdings latent durch einen langandauernden Prozess der schrittwei-
sen Anpassung der Arbeitsroutinen in der Fideikommissbibliothek an die
neue Funktion vorbereitet worden. Über die Details dieser Entwicklung soll-
ten die Untersuchungen meines Beitrages – vor allem der zweite und dritte
Teil – einige Aufschlüsse erbracht haben. Summarisch sei an dieser Stelle
lediglich darauf hingewiesen, dass die latente Entwicklung der Fideikom-
missbibliothek in Richtung eines quasi-öffentlichen Instituts bereits in der
Zeit der ausgehenden Monarchie wiederholt Ansätze zur offiziellen Umset-
zung dieser Funktion zeitigte. Denn mit der Ausstellung im Augustinergang
1893/1894 wurden regelmäßige und öffentlich verlautbarte Besichtigungs-
zeiten der Sammlung eingeführt. Der Plan, die Fideikommissbibliothek ad-
ministrativ an die Hofbibliothek anzubinden, führte fünf Jahre später zu
dem Plan, die Bestände in den Räumlichkeiten der Hofbibliothek der Öffent-
lichkeit für Studienzwecke zugänglich zu machen. Cum grano salis nahm
dies die Entwicklung nach 1919 vorweg. Unmittelbar vor der Übersiedlung
1903 stand mit dem (ebenfalls nicht realisierten) Plan eines öffentlichen Le-
sesaales die Umsetzung des Publikumsbetriebes auf eigene Regie im Raum;
1908 wurde sie schließlich in sehr beschränkter Form (Lesekabinett) tat-
sächlich verwirklicht. Verschiedene Projekte für allgemein zugängliche Aus-
stellungen innerhalb der Sammlung – allen voran Schnürers Habsburger-
museum – zeugen ebenfalls von dem Bestreben, die Fideikommissbibliothek
als eine auf die Öffentlichkeit ausgerichtete Institution zu etablieren.
Gemäß dieser Einschätzung durchlief die Fideikommissbibliothek jene
Metamorphose, die für alle übrigen habsburgischen Sammlungen typisch ist:
von der herrscherlichen zur staatlich-öffentlichen Institution. Doch erfolgte
diese Transformation in unserem Fall aus nachvollziehbaren Gründen zeit-
versetzt: Während der Prozess der Öffnung bei den älteren Hofsammlungen
bereits im 18. Jahrhundert einsetzte, war er für die Fideikommissbibliothek
durch deren Widmung und durch deren Finanzierung aus habsburgischem
Privatvermögen zunächst weder vorgesehen noch konnte er sich ohne innere
Widerstände vollziehen. Die Bibliothek wurde ja bis zuletzt als Privatsamm-
lung des Herrscherhauses betrachtet – und zwar dezidiert im Gegensatz
1800 Wien, ÖStA, AVA, Unterrichtsministerium, Kt. 545 (NB): Stellungnahme Payers an das
Unterrichtsamt vom 25.10.1920 zur künftigen Verwaltung der Fideikommissbibliothek.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken