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DIE FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK
1914–1919946
Frauen bestand im Abstempeln der Standortsignatur von Werken der Fidei-
kommissbibliothek mittels eines sogenannten Numerators86, durch den die
Kastenzahl in Rot und die Reihenzahl in Schwarz auf dem fliegenden Blatt
des Buchs angebracht wurde.
Doch die „weibliche Hilfskraft“ war nicht nur mit der Neusignierung be-
traut, sie erledigte mitunter auch Aufgaben in Vertretung ihrer Vorgesetz-
ten:
„Da ich derzeit Alleinherrscherin in der Bibliothek bin – der Kustos [Payer
von Thurn] ist mit seinen Töchtern nach Ungarn gefahren und kommt erst am
Dienstag wieder herein –, habe ich Ihren [Schnürers] Brief eröffnet und auch
gleich erledigt. […] Heute habe ich sogar die „Konsignationen“ geschrieben,
mit denen Eigenberger die Gehalte holen muß, – der Kustos hätte es gestern
noch ganz gut tun können, aber er war schon so reisefiebrich, daß er nichts
mehr rechnen konnte, – schrecklich nervös ist der Mensch! Uebrigens wer ist
das jetzt nicht?!“87
In Anbetracht der beschriebenen Tätigkeitsbereiche der in der Fideikom-
missbibliothek angestellten Frauen ist ein Vergleich der Entlohnung durch-
aus aufschlussreich. Brentano wurde 1917 ein Grundgehalt von 180 K be-
willigt, Gertrude Schenek erhielt 120 K. Im Vergleich mit Alexandra Hois
Studie über Angestellte der Kategorie „weibliche Hilfskräfte“ der österrei-
chisch-ungarischen Armee aus dem Bundesland Tirol entsprach der Monats-
lohn von Hanny Brentano in den Jahren 1917/1918 in etwa dem einer Kanz-
leihilfskraft I. Klasse, nämlich 160 K, während Gertrude Schenek den Lohn
einer Kanzleihilfskraft II. Klasse erhielt.88
Im Vergleich zu den männlichen Angestellten der Fideikommissbibliothek
ergibt sich ein gravierender Unterschied. In den Jahren 1917–1919 erhielten
die beiden Bibliotheksdiener, die allerdings rein manipulative Tätigkeiten
verrichteten ein Grundgehalt von 1.600 K während Kanzleisekretär Beetz
2.500 K verdiente. Im Jahr 1919 wurde für Brentano als alleinige weibli-
che Hilfskraft der Fideikommissbibliothek nach wie vor ein Grundgehalt
von 360 K veranschlagt.89 Selbst mit diesem Gehalt verdienten ihre Kollegen
mehr als das Vierfache, obwohl sie für die Arbeit mehr als überqualifiziert
86 FKBA47015, fol. 13r.
87 Wien, ÖNB, BAG, EZ 3040, Nachlass Franz Schnürer, Box 26, Korrespondenz von Hanny
Brentano, Wien, 28.06.1918, fol. 1r.
88 Hois, Hilfskräfte, 194.
89 Wien, ÖStA, HHStA, GdPFF J.R., Rubr. 5 Fideikommissbibliothek 541, 1286/1917, fol. 4r
und 266/1919, fol. 3v.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken