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DIE „K. U. K. FAMILIEN-FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK“ IM ERSTEN WELTKRIEG 947
war und, wie anhand des obenstehenden Zitats zu erkennen, auch verant-
wortungsvolle Arbeiten übernahm.
Bereits während des Kriegs setzte sich die Frauenbewegung mit der Frage
auseinander, wie mit den neuen Arbeitsmöglichkeiten von Frauen zu ver-
fahren sei, wenn die Soldaten nach dem Krieg an ihren Arbeitsplatz zurück-
kehrten.90 Das Programm für die Frauen nach Ende des Krieges lag für die
Katholische Frauenorganisation klar auf der Hand: Der „Abbau der Frauen-
arbeit nach dem Kriege“ war eine ihrer Forderungen, so auch der gleichlau-
tende Titel eines Vortrags von Hanny Brentano, den sie am 10. Dezember
1917 im Rahmen der Tagung christlicher Frauenvereine hielt.91 Brentano
verstand das Massenphänomen Frauenarbeit als kriegsbedingte Notwendig-
keit. Emanzipatorische Ansätze oder Überlegungen spielen in ihrem Vortrag
keine Rolle. Sie forderte die Rückkehr der Frau zu ihrem „Hausfrau- und
Mutterberuf“, sobald der Krieg beendet war. Im Falle von Frauen gefallener
Soldaten war sie der Überzeugung, diese in Berufe zurückzuleiten, die „ih-
rer Wesensart angepasst“ seien, wie beispielsweise bei einer Anstellung als
Hausbedienstete. Die dritte Forderung betrifft den Schutz der Frauen vor
gesundheitsschädlicher Arbeit. Es ist anzumerken, dass Brentano die Forde-
rungen von „gleichem Lohn bei gleicher Arbeit“ befürwortete: Dies allerdings
nicht im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau, sondern, „damit
die Frau nicht als Lohndrückerin“ der Männerarbeit fungiere und um „den
im Felde stehenden Mann“ nach Kriegsende durch das von der Frauenarbeit
kurzfristig ausgelöste Lohndumping nicht brotlos zu machen. Das im Dezem-
ber 1917 gegründete Ministerium für soziale Fürsorge hatte zwar im Jänner
1918 eine „Kommission für Frauenarbeit“ gebildet, bei der auch Vertreterin-
nen der Frauenorganisationen beteiligt waren. Jedoch bestand auch hier das
vorrangige Ziel, den Männern nach Kriegsende die Rückkehr auf ihre ehe-
maligen Posten zu ermöglichen.92 Frauen sollten, nach Maßgabe des Ministe-
riums, fortan in ihren „angestammten Berufsfeldern“, also in der Land- und
Hauswirtschaft, beschäftigt werden.93
An der Überzeugung Hanny Brentanos, „die Zustände auf dem weiblichen
Arbeitsmarkt [in Kriegszeiten] dürfen nur Ausnahmszustände sein, die bei
der Wiederkehr normaler Zeiten zu beseitigen sind“,94 nahm sie sich selbst
90 Schmidlechner, Frau, 88.
91 Vgl. die Ankündigung der Tagung in: Wiener Neueste Nachrichten Nr. 49 v. 03.12.1917,
7–8 bzw. Nr. 50 v. 10.10.1917. Eine Zusammenfassung des Vortrags erschien in Brentano,
Frauenarbeit. Vgl. ebenso Brentano, Gott, 191–192. Aus dieser Quelle stammen auch die
nun folgenden Zitate.
92 Lösch, Arbeitsmarktpolitik, 315.
93 Lösch, Arbeitsmarktpolitik, 317.
94 Vgl. Anm. 91.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken