Page - 48 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Kommando faßt F. das Ventil und dreht es mit aller Kraft – nach links (alle Ventile werden
ausnahmslos nach rechts geschlossen!). Dadurch wird plötzlich der volle Druck des
Akkumulators in der Presse wirksam, worauf die Rohrleitung nicht eingerichtet ist, so daß sofort
eine Rohrverbindung platzt – ein ganz harmloser Maschinendefekt, der uns jedoch zwingt, für
heute die Arbeit einzustellen und nach Hause zu gehen.
Charakteristisch ist übrigens, daß einige Zeit nachher, als wir diesen Vorfall besprachen, Freund
F. sich an meine von mir mit Sicherheit erinnerte Äußerung absolut nicht erinnern wollte.«
Von hier können Sie auf die Vermutung kommen, daß es nicht immer der harmlose Zufall ist, der
die Hände Ihres Dienstpersonals zu so gefährlichen Feinden ihres Hausbesitzes macht. Sie
können aber auch die Frage aufwerfen, ob es jedesmal Zufall ist, wenn man sich selbst beschädigt
und seine eigene Integrität in Gefahr bringt. Anregungen, die Sie gelegentlich an der Hand der
Analyse von Beobachtungen auf ihren Wert prüfen mögen.
Meine geehrten Zuhörer! Das ist lange nicht alles, was über die Fehlleistungen zu sagen wäre. Es
gibt da noch viel zu erforschen und zu diskutieren. Aber ich bin zufrieden, wenn Sie aus unseren
bisherigen Erörterungen darüber eine gewisse Erschütterung Ihrer bisherigen Anschauungen und
einen Grad von Bereitschaft für die Annahme neuer gewonnen haben. Im übrigen bescheide ich
mich, Sie vor einer ungeklärten Sachlage zu belassen. Wir können aus dem Studium der
Fehlleistungen nicht alle unsere Lehrsätze beweisen und sind auch mit keinem Beweis auf dieses
Material allein angewiesen. Der große Wert der Fehlleistungen für unsere Zwecke liegt darin, daß
es sehr häufige, auch an der eigenen Person leicht zu beobachtende Erscheinungen sind, deren
Zustandekommen das Kranksein durchaus nicht zur Voraussetzung hat. Nur eine Ihrer
unbeantworteten Fragen möchte ich am Schlusse noch zu Worte kommen lassen: Wenn die
Menschen sich, wie wir’s an vielen Beispielen gesehen haben, dem Verständnis der
Fehlleistungen so sehr annähern und sich oft so benehmen, als ob sie deren Sinn durchschauen
würden, wie ist es möglich, daß sie dieselben Phänomene doch ganz allgemein als zufällig, sinn-
und bedeutungslos hinstellen und der psychoanalytischen Aufklärung derselben so energisch
widerstreben können?
Sie haben recht, das ist auffällig und fordert eine Erklärung. Aber ich werde sie Ihnen nicht
geben, sondern Sie langsam zu den Zusammenhängen hinführen, aus denen sich Ihnen die
Erklärung ohne mein Dazutun aufdrängen wird.
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin