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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Page - 72 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

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eine der Ihnen angedeuteten Schwierigkeiten in der Auswahl von Beispielen erraten. Ich hätte dieses Beispiel leicht durch ein anderes ersetzen können, aber wahrscheinlich hätte ich diese Indiskretion nur um den Preis vermieden, daß ich an ihrer Statt eine andere begehe. Es scheint mir an der Zeit, zwei Termini einzuführen, die wir längst hätten verwenden können. Wir wollen das, was der Traum erzählt, den manifesten Trauminhalt nennen, das Verborgene, zu dem wir durch die Verfolgung der Einfälle kommen sollen, die latenten Traumgedanken. Wir achten dann auf die Beziehungen zwischen manifestem Trauminhalt und latenten Traumgedanken, wie sie sich in diesen Beispielen zeigen. Es können sehr verschiedene solche Beziehungen bestehen. In den Beispielen a) und b) ist das manifeste Element auch ein Bestandteil der latenten Gedanken, aber nur ein kleines Stück davon. Von einem großen zusammengesetzten psychischen Gebilde in den unbewußten Traumgedanken ist ein Stückchen auch in den manifesten Traum gelangt, wie ein Fragment davon oder in anderen Fällen wie eine Anspielung darauf, wie ein Stichwort, eine Verkürzung im Telegraphenstil. Die Deutungsarbeit hat diesen Brocken oder diese Andeutung zum Ganzen zu vervollständigen, wie es besonders schön im Beispiel b) gelungen ist. Die eine Art der Entstellung, in welcher die Traumarbeit besteht, ist also der Ersatz durch ein Bruchstück oder eine Anspielung. In c) ist überdies ein anderes Verhältnis zu erkennen, welches wir in den nachfolgenden Beispielen reiner und deutlicher ausgedrückt sehen. d) Der Träumer zieht eine (bestimmte, ihm bekannte) Dame hinter dem Bett hervor. Er findet selbst durch den ersten Einfall den Sinn dieses Traumelements. Es heißt: er gibt dieser Dame den Vorzug. e) Ein anderer träumt, sein Bruder stecke in einem Kasten. Der erste Einfall ersetzt Kasten durch Schrank, und der zweite gibt darauf die Deutung: der Bruder schränkt sich ein. f) Der Träumer steigt auf einen Berg, von dem er eine außerordentliche, weite Aussicht hat. Das klingt ja ganz rationell, es ist vielleicht nichts zu deuten daran, sondern nur zu erkunden, an welche Reminiszenz der Traum rührt und aus welchem Motiv sie hier geweckt wurde. Allein Sie irren; es zeigt sich, daß dieser Traum gerade so deutungsbedürftig war wie irgendein anderer, verworrener. Dem Träumer fällt dazu nämlich nichts von eigenen Bergbesteigungen ein, sondern er gedenkt des Umstandes, daß ein Bekannter von ihm eine »Rundschau« herausgibt, die sich mit unseren Beziehungen zu den fernsten Erdteilen beschäftigt. Der latente Traumgedanke ist also hier eine Identifizierung des Träumers mit dem »Rundschauer«. Sie finden hier einen neuen Typus der Beziehung zwischen manifestem und latentem Traumelement. Das erstere ist nicht so sehr eine Entstellung des letzteren als eine Darstellung desselben, eine plastische, konkrete Verbildlichung, die ihren Ausgang vom Wortlaute nimmt. Allerdings gerade dadurch wieder eine Entstellung, denn wir haben beim Wort längst vergessen, aus welchem konkreten Bild es hervorgegangen ist, und erkennen es darum in seiner Ersetzung durch das Bild nicht wieder. Wenn Sie daran denken, daß der manifeste Traum vorwiegend aus visuellen Bildern, seltener aus Gedanken und Worten besteht, können Sie erraten, daß dieser Art der Beziehung eine besondere Bedeutung für die Traumbildung zukommt. Sie sehen auch, daß es auf diesem Wege möglich wird, für eine große Reihe abstrakter Gedanken Ersatzbilder im manifesten Traum zu scharfen, die doch der Absicht des Verbergens dienen. Es ist dies die Technik unseres Bilderrätsels. Woher der Anschein des Witzigen kommt, den solche Darstellungen an sich tragen, das ist eine besondere Frage, die wir hier nicht zu berühren 72
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
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