Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geisteswissenschaften
Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Page - 77 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 77 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

Image of the Page - 77 -

Image of the Page - 77 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

Text of the Page - 77 -

haben, so daß er beseitigt ist und der Schlaf fortgesetzt werden kann. Wie diese Erledigung durch den Traum dynamisch ermöglicht wird, wissen wir noch nicht, aber wir merken bereits, daß der Traum nicht der Schlafstörer ist, als den man ihn schilt, sondern der Schlafhüter, der Beseitiger von Schlafstörungen. Wir finden zwar, wir hätten besser geschlafen, wenn nicht der Traum gewesen wäre, aber wir haben unrecht; in Wirklichkeit hätten wir ohne die Hilfe des Traumes überhaupt nicht geschlafen. Es ist sein Verdienst, daß wir soweit gut geschlafen haben. Er konnte es nicht vermeiden, uns etwas zu stören, so wie der Nachtwächter oft nicht umhin kann, einigen Lärm zu machen, während er die Ruhestörer verjagt, die uns durch den Lärm wecken wollen. 6. Daß ein Wunsch der Erreger des Traumes ist, die Erfüllung dieses Wunsches der Inhalt des Traumes, das ist der eine Hauptcharakter des Traumes. Der andere ebenso konstante ist, daß der Traum nicht einfach einen Gedanken zum Ausdruck bringt, sondern als halluzinatorisches Erlebnis diesen Wunsch als erfüllt darstellt. Ich möchte auf dem See fahren, lautet der Wunsch, der den Traum anregt; der Traum selbst hat zum Inhalt: ich fahre auf dem See. Ein Unterschied zwischen latentem und manifestem Traum, eine Entstellung des latenten Traumgedankens bleibt also auch für diese einfachen Kinderträume bestehen, die Umsetzung des Gedankens in Erlebnis. Bei der Deutung des Traumes muß vor allem dieses Stück Veränderung rückgängig gemacht werden. Wenn sich dies als ein allgemeinster Charakter des Traumes herausstellen sollte, dann ist das vorhin mitgeteilte Traumfragment »ich sehe meinen Bruder in einem Kasten« also nicht zu übersetzen »mein Bruder schränkt sich ein«, sondern »ich möchte, daß mein Bruder sich einschränke, mein Bruder soll sich einschränken«. Von den beiden hier aufgeführten allgemeinen Charakteren des Traumes hat offenbar der zweite mehr Aussicht auf Anerkennung ohne Widerspruch als der erstere. Wir werden erst durch weitausgreifende Untersuchungen sicherstellen können, daß der Erreger des Traumes immer ein Wunsch sein muß und nicht auch eine Besorgnis, ein Vorsatz oder Vorwurf sein kann, aber davon wird der andere Charakter unberührt bleiben, daß der Traum diesen Reiz nicht einfach wiedergibt, sondern ihn durch eine Art von Erleben aufhebt, beseitigt, erledigt. 7. In Anknüpfung an diese Charaktere des Traumes können wir auch die Vergleichung des Traumes mit der Fehlleistung wieder aufnehmen. Bei letzterer unterscheiden wir eine störende Tendenz und eine gestörte, und die Fehlleistung war ein Kompromiß zwischen beiden. In dasselbe Schema fügt sich auch der Traum. Die gestörte Tendenz kann bei ihm keine andere sein als die zu schlafen. Die störende ersetzen wir durch den psychischen Reiz, sagen wir also durch den Wunsch, der auf seine Erledigung dringt, weil wir bisher keinen anderen schlafstörenden seelischen Reiz kennengelernt haben. Der Traum ist auch hier ein Kompromißergebnis. Man schläft, aber man erlebt doch die Aufhebung eines Wunsches; man befriedigt einen Wunsch, setzt dabei aber den Schlaf fort. Beides ist zum Teil durchgesetzt und zum Teil aufgegeben. 8. Erinnern Sie sich, wir erhofften uns einmal einen Zugang zum Verständnis der Traumprobleme aus der Tatsache, daß gewisse für uns sehr durchsichtige Phantasiebildungen »Tagträume« genannt werden. Diese Tagträume sind nun wirklich Wunscherfüllungen, Erfüllungen von ehrgeizigen und erotischen Wünschen, die uns wohlbekannt sind, aber es sind gedachte, wenn auch lebhaft vorgestellte, niemals halluzinatorisch erlebte. Von den beiden Hauptcharakteren des Traumes wird also hier der minder gesicherte festgehalten, während der andere als vom Schlafzustand abhängig und im Wachleben nicht realisierbar ganz entfällt. Im Sprachgebrauch liegt also eine Ahnung davon, daß die Wunscherfüllung ein Hauptcharakter des Traumes ist. Nebenbei, wenn das Erleben im Traum nur ein durch die Bedingungen des Schlafzustandes ermöglichtes, umgewandeltes Vorstellen, also ein »nächtliches Tagträumen« ist, so verstehen wir 77
back to the  book Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)"
Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schriften von Sigmund Freud