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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Page - 78 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

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bereits, daß der Vorgang der Traumbildung den nächtlichen Reiz aufheben und Befriedigung bringen kann, denn auch das Tagträumen ist eine mit Befriedigung verbundene Tätigkeit und wird ja nur dieser wegen gepflegt. Aber nicht nur dieser, auch anderer Sprachgebrauch äußert sich in demselben Sinne. Bekannte Sprichwörter sagen: das Schwein träumt von Eicheln, die Gans vom Mais; oder fragen: wovon träumt das Huhn? von Hirse. Das Sprichwort steigt also noch weiter hinab als wir, vom Kind zum Tier, und behauptet, der Inhalt des Traumes sei die Befriedigung eines Bedürfnisses. So viele Redewendungen scheinen dasselbe anzudeuten, wie: »traumhaft schön«, »das wäre mir im Traum nicht eingefallen«, »das habe ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt«. Es liegt da eine offenbare Parteinahme des Sprachgebrauchs vor. Es gibt ja auch Angstträume und Träume mit peinlichem oder indifferentem Inhalt, aber sie haben den Sprachgebrauch nicht angeregt. Er kennt zwar »böse« Träume, aber der Traum schlechtweg ist ihm doch nur die holde Wunscherfüllung. Es gibt auch kein Sprichwort, das uns versichern würde, das Schwein oder die Gans träumen vom Geschlachtetwerden. Es ist natürlich undenkbar, daß der wunscherfüllende Charakter des Traumes von den Autoren über den Traum nicht bemerkt worden wäre. Dies ist vielmehr sehr oft der Fall gewesen, aber es ist keinem von ihnen eingefallen, diesen Charakter als allgemeinen anzuerkennen und zum Angelpunkt der Traumerklärung zu nehmen. Wir können uns wohl denken und werden auch darauf eingehen, was sie davon abgehalten haben mag. Sehen Sie nun aber, welche Fülle von Aufklärungen wir aus der Würdigung der Kinderträume gewonnen haben, und das fast mühelos! Die Funktion des Traumes als Hüter des Schlafes, seine Entstehung aus zwei konkurrierenden Tendenzen, von denen die eine konstant bleibt, das Schlafverlangen, die andere einen psychischen Reiz zu befriedigen strebt, der Beweis, daß der Traum ein sinnreicher, psychischer Akt ist, seine beiden Hauptcharaktere: Wunscherfüllung und halluzinatorisches Erleben. Und dabei konnten wir fast vergessen, daß wir Psychoanalyse treiben. Außer der Anknüpfung an die Fehlleistungen hatte unsere Arbeit kein spezifisches Gepräge. Jeder Psychologe, der von den Voraussetzungen der Psychoanalyse nichts weiß, hätte diese Aufklärung der Kinderträume geben können. Warum hat es keiner getan? Gäbe es nur solche Träume wie die infantilen, so wäre das Problem gelöst, unsere Aufgabe erledigt, und zwar ohne den Träumer auszufragen, ohne das Unbewußte heranzuziehen und ohne die freie Assoziation in Anspruch zu nehmen. Nun hier liegt offenbar die Fortsetzung unserer Aufgabe. Wir haben schon wiederholt die Erfahrung gemacht, daß Charaktere, die für allgemein gültig ausgegeben waren, sich dann nur für eine gewisse Art und Anzahl von Träumen bestätigt haben. Es handelt sich also für uns darum, ob die aus den Kinderträumen erschlossenen allgemeinen Charaktere haltbarer sind, ob sie auch für jene Träume gelten, die nicht durchsichtig sind, deren manifester Inhalt keine Beziehung zu einem erübrigten Tageswunsch erkennen läßt. Wir haben die Auffassung, daß diese anderen Träume eine weitgehende Entstellung erfahren haben und darum zunächst nicht zu beurteilen sind. Wir ahnen auch, zur Aufklärung dieser Entstellung werden wir der psychoanalytischen Technik bedürfen, die wir für das eben gewonnene Verständnis der Kinderträume entbehren konnten. Es gibt jedenfalls noch eine Klasse von Träumen, die unentstellt sind und sich wie die Kinderträume leicht als Wunscherfüllungen erkennen lassen. Es sind jene, die das ganze Leben hindurch durch die imperativen Körperbedürfnisse hervorgerufen werden, den Hunger, den 78
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
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