Page - 91 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Vergleich eine besondere Bedingtheit, kann aber nicht sagen, worin diese besteht. Nicht alles,
womit wir einen Gegenstand oder einen Vorgang vergleichen können, tritt auch im Traum als
Symbol dafür auf. Anderseits symbolisiert der Traum auch nicht alles Beliebige, sondern nur
bestimmte Elemente der latenten Traumgedanken. Es gibt also hier Beschränkungen nach beiden
Seiten hin. Man muß auch zugeben, daß der Begriff des Symbols derzeit nicht scharf
abzugrenzen ist, er verschwimmt gegen die Ersetzung, Darstellung und dgl., nähert sich selbst der
Anspielung. Bei einer Reihe von Symbolen ist der zugrundeliegende Vergleich sinnfällig.
Daneben gibt es andere Symbole, bei denen wir uns die Frage stellen müssen, wo denn das
Gemeinsame, das Tertium comparationis dieses vermutlichen Vergleichs zu suchen sei. Dann
mögen wir es bei näherer Überlegung auffinden, oder es kann uns wirklich verborgen bleiben. Es
ist ferner sonderbar, wenn das Symbol eine Vergleichung ist, daß dieser Vergleich sich nicht
durch die Assoziation bloßlegen läßt, auch daß der Träumer den Vergleich nicht kennt, sich
seiner bedient, ohne um ihn zu wissen. Ja noch mehr, daß der Träumer nicht einmal Lust hat,
diesen Vergleich anzuerkennen, nachdem er ihm vorgeführt worden ist. Sie sehen also, eine
Symbolbeziehung ist eine Vergleichung von ganz besonderer Art, deren Begründung von uns
noch nicht klar erfaßt wird. Vielleicht lassen sich später Hinweise auf dieses Unbekannte finden.
Der Umfang der Dinge, die im Traume symbolische Darstellung finden, ist nicht groß. Der
menschliche Leib als Ganzes, die Eltern, Kinder, Geschwister, Geburt, Tod, Nacktheit – und
dann noch eines. Die einzig typische, d.
h. regelmäßige Darstellung der menschlichen Person als
Ganzes ist die als Haus, wie Scherner erkannt hat, der diesem Symbol sogar eine überragende
Bedeutung, die ihm nicht zukommt, zuteilen wollte. Es kommt im Traume vor, daß man, bald
lustvoll, bald ängstlich von Häuserfassaden herabklettert. Die mit ganz glatten Mauern sind
Männer; die aber mit Vorsprüngen und Balkonen versehen sind, an welchen man sich anhalten
kann, das sind Frauen. Die Eltern erscheinen im Traum als Kaiser und Kaiserin, König und
Königin oder als andere Respektspersonen; der Traum ist also hier sehr pietätsvoll. Minder
zärtlich verfährt er gegen Kinder und Geschwister; diese werden als kleine Tiere, Ungeziefer
symbolisiert. Die Geburt findet fast regelmäßig eine Darstellung durch eine Beziehung zum
Wasser; entweder man stürzt ins Wasser oder man steigt aus ihm heraus, man rettet eine Person
aus dem Wasser oder wird von ihr gerettet, d. h. man hat eine mütterliche Beziehung zu ihr. Das
Sterben wird im Traum durch Abreisen, mit der Eisenbahn Fahren ersetzt, das Totsein durch
verschiedene dunkle, wie zaghafte Andeutungen, die Nacktheit durch Kleider und Uniformen. Sie
sehen, wie hier die Grenzen zwischen symbolischer und anspielungsartiger Darstellung
verschwimmen.
Im Vergleich zur Armseligkeit dieser Aufzählung muß es auffallen, daß Objekte und Inhalte
eines anderen Kreises durch eine außerordentlich reichhaltige Symbolik dargestellt werden. Es ist
dies der Kreis des Sexuallebens, der Genitalien, der Geschlechtsvorgänge, des
Geschlechtsverkehrs. Die übergroße Mehrzahl der Symbole im Traum sind Sexualsymbole. Es
stellt sich dabei ein merkwürdiges Mißverhältnis heraus. Der bezeichneten Inhalte sind nur
wenige, der Symbole für sie ungemein viele, so daß jedes dieser Dinge durch zahlreiche, nahezu
gleichwertige Symbole ausgedrückt werden kann. Bei der Deutung ergibt sich dann etwas, was
allgemein Anstoß erregt. Die Symboldeutungen sind im Gegensatze zur Mannigfaltigkeit der
Traumdarstellungen sehr monoton. Das mißfällt jedem, der davon erfährt; aber was ist dagegen
zu tun?
Da es das erstemal ist, daß in dieser Vorlesung von Inhalten des Sexuallebens gesprochen wird,
bin ich Ihnen Rechenschaft über die Art schuldig, wie ich dieses Thema zu behandeln gedenke.
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin