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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Page - 97 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

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Feuerbereitung und alles, was mit ihr zusammenhängt, ist auf das innigste von Sexualsymbolik durchsetzt. Stets ist die Flamme ein männliches Genitale, und die Feuerstelle, der Herd, ein weiblicher Schoß. Wenn Sie sich vielleicht darüber verwundert haben, wie häufig Landschaften im Traum zur Darstellung des weiblichen Genitales verwendet werden, so lassen Sie sich von den Mythologen belehren, welche Rolle Mutter Erde in den Vorstellungen und Kulten der alten Zeit gespielt hat und wie die Auffassung des Ackerbaues von dieser Symbolik bestimmt wurde. Daß das Zimmer im Traum ein Frauenzimmer vorstellt, werden Sie geneigt sein aus unserem Sprachgebrauch abzuleiten, der Frauenzimmer anstatt Frau setzt, also die menschliche Person durch die für sie bestimmte Räumlichkeit vertreten werden läßt. So ähnlich sprechen wir von der »Hohen Pforte« und meinen damit den Sultan und seine Regierung; auch der Name des altägyptischen Herrschers Pharao bedeutete nichts anderes als »großer Hofraum«. (Im alten Orient sind die Höfe zwischen den Doppeltoren der Stadt Orte der Zusammenkunft wie in der klassischen Welt die Marktplätze.) Allein ich meine, diese Ableitung ist eine allzu oberflächliche. Es ist mir wahrscheinlicher, daß das Zimmer als der den Menschen umschließende Raum zum Symbol des Weibes geworden ist. Das Haus kennen wir ja schon in solcher Bedeutung; aus der Mythologie und aus dem poetischen Stil dürfen wir Stadt, Burg, Schloß, Festung als weitere Symbole für das Weib hinzunehmen. Die Frage wäre an Träumen solcher Personen, die nicht Deutsch sprechen und es nicht verstehen, leicht zu entscheiden. Ich habe in den letzten Jahren vorwiegend fremdsprachige Patienten behandelt und glaube mich zu erinnern, daß in deren Träumen das Zimmer gleichfalls ein Frauenzimmer bedeutete, obwohl sie keinen analogen Sprachgebrauch in ihren Sprachen hatten. Es sind noch andere Anzeichen dafür vorhanden, daß die Symbolbeziehung über die Sprachgrenzen hinausgehen kann, was übrigens schon der alte Traumforscher Schubert behauptet hat. Indes, keiner meiner Träumer war des Deutschen völlig unkundig, so daß ich diese Unterscheidung jenen Psychoanalytikern überlassen muß, die in anderen Ländern an einsprachigen Personen Erfahrungen sammeln können. Unter den Symboldarstellungen des männlichen Genitales ist kaum eine, die nicht im scherzhaften, vulgären oder im poetischen Sprachgebrauch, zumal bei den altklassischen Dichtern, wiederkehrte. Es kommen hierfür aber nicht nur die im Traume auftretenden Symbole in Betracht, sondern auch neue, z.  B. die Werkzeuge verschiedener Verrichtungen, in erster Reihe der Pflug. Im übrigen nahen wir mit der Symboldarstellung des Männlichen einem sehr ausgedehnten und vielumstrittenen Gebiet, von dem wir uns aus ökonomischen Motiven fernehalten wollen. Nur dem einen, gleichsam aus der Reihe fallenden Symbol der 3 möchte ich einige Bemerkungen widmen. Ob diese Zahl nicht etwa ihre Heiligkeit dieser Symbolbeziehung verdankt, bleibe dahingestellt. Gesichert scheint aber, daß manche in der Natur vorkommende dreiteilige Dinge ihre Verwendung zu Wappen und Emblemen von solcher Symbolbedeutung ableiten, z.  B. das Kleeblatt. Auch die dreiteilige sogenannte französische Lilie und das sonderbare Wappen zweier so weit voneinander entfernten Inseln wie Sizilien und die Isle of Man, das Triskeles (drei halbgebeugte Beine von einem Mittelpunkt ausgehend) sollen nur Umstilisierungen eines männlichen Genitales sein. Ebenbilder des männlichen Gliedes galten im Altertum als die kräftigsten Abwehrmittel (Apotropaea) gegen böse Einflüsse, und es steht im Zusammenhange damit, daß die glückbringenden Amulette unserer Zeit sämtlich leicht als Genital- oder Sexualsymbole zu erkennen sind. Betrachten wir eine solche Sammlung, wie sie etwa in Form kleiner silberner Anhängsel getragen wird: ein vierblättriges Kleeblatt, ein Schwein, ein Pilz, ein Hufeisen, eine Leiter, ein Rauchfangkehrer. Das vierblättrige Kleeblatt ist an die Stelle des eigentlich zum Symbol geeigneten dreiblättrigen getreten; das Schwein ist ein 97
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
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