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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Page - 103 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

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Ein manifestes Element entspricht gleichzeitig mehreren latenten, und umgekehrt kann ein latentes Element an mehreren manifesten beteiligt sein, also nach Art einer Verschränkung. Bei der Deutung des Traumes zeigt es sich auch, daß die Einfälle zu einem einzelnen manifesten Element nicht der Reihe nach zu kommen brauchen. Man muß oft abwarten, bis der ganze Traum gedeutet ist. Die Traumarbeit besorgt also eine sehr ungewöhnliche Art von Transkription der Traumgedanken, nicht eine Übersetzung Wort für Wort oder Zeichen für Zeichen, auch nicht eine Auswahl nach bestimmter Regel, wie wenn nur die Konsonanten eines Wortes wiedergegeben, die Vokale aber ausgelassen würden, auch nicht, was man eine Vertretung heißen könnte, daß immer ein Element an Stelle mehrerer herausgegriffen wird, sondern etwas anderes und weit Komplizierteres. Die zweite Leistung der Traumarbeit ist die Verschiebung. Für diese haben wir zum Glück schon vorgearbeitet; wir wissen ja, sie ist ganz das Werk der Traumzensur. Ihre beiden Äußerungen sind erstens, daß ein latentes Element nicht durch einen eigenen Bestandteil, sondern durch etwas Entfernteres, also durch eine Anspielung ersetzt wird, und zweitens, daß der psychische Akzent von einem wichtigen Element auf ein anderes, unwichtiges übergeht, so daß der Traum anders zentriert und fremdartig erscheint. Die Ersetzung durch eine Anspielung ist auch in unserem wachen Denken bekannt, aber es ist ein Unterschied dabei. Im wachen Denken muß die Anspielung eine leicht verständliche sein, und der Ersatz muß in inhaltlicher Beziehung zu seinem Eigentlichen stehen. Auch der Witz bedient sich häufig der Anspielung, er läßt die Bedingung der inhaltlichen Assoziation fallen und ersetzt diese durch ungewohnte äußerliche Assoziationen wie Gleichklang und Wortvieldeutigkeit u.  a. Die Bedingung der Verständlichkeit hält er aber fest; der Witz käme um jede Wirkung, wenn der Rückweg von der Anspielung zum Eigentlichen sich nicht mühelos ergeben würde. Von beiden Einschränkungen hat sich aber die Verschiebungsanspielung des Traumes frei gemacht. Sie hängt durch die äußerlichsten und entlegensten Beziehungen mit dem Element, das sie ersetzt, zusammen, ist darum unverständlich, und wenn sie rückgängig gemacht wird, macht ihre Deutung den Eindruck eines mißratenen Witzes oder einer gewaltsamen, gezwungenen, an den Haaren herbeigezogenen Auslegung. Die Traumzensur hat eben nur dann ihr Ziel erreicht, wenn es ihr gelungen ist, den Rückweg von der Anspielung zum Eigentlichen unauffindbar zu machen. Die Akzentverschiebung ist als Mittel des Gedankenausdrucks unerhört. Wir lassen sie im wachen Denken manchmal zu, um einen komischen Effekt zu erzielen. Den Eindruck der Verirrung, den sie macht, kann ich etwa bei Ihnen hervorrufen, wenn ich Sie an die Anekdote erinnere, daß es in einem Dorf einen Schmied gab, der sich eines todeswürdigen Verbrechens schuldig gemacht hatte. Der Gerichtshof beschloß, daß die Schuld gesühnt werde, aber da der Schmied allein im Dorfe und unentbehrlich war, dagegen drei Schneider im Dorfe wohnten, wurde einer dieser drei an seiner Statt gehängt. Die dritte Leistung der Traumarbeit ist die psychologisch interessanteste. Sie besteht in der Umsetzung von Gedanken in visuelle Bilder. Halten wir fest, daß nicht alles in den Traumgedanken diese Umsetzung erfährt; manches behält seine Form und erscheint auch im manifesten Traum als Gedanke oder als Wissen; auch sind visuelle Bilder nicht die einzige Form, in welche die Gedanken umgesetzt werden. Aber sie sind doch das Wesentliche an der Traumbildung; dieses Stück der Traumarbeit ist das zweitkonstanteste, wie wir schon wissen, und 103
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
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