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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Page - 104 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

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für einzelne Traumelemente haben wir die »plastische Wortdarstellung« bereits kennengelernt. Es ist klar, daß diese Leistung keine leichte ist. Um sich einen Begriff von ihren Schwierigkeiten zu machen, müssen Sie sich vorstellen, Sie hätten die Aufgabe übernommen, einen politischen Leitartikel einer Zeitung durch eine Reihe von Illustrationen zu ersetzen, Sie wären also von der Buchstabenschrift zur Bilderschrift zurückgeworfen. Was in diesem Artikel von Personen und konkreten Gegenständen genannt wird, das werden Sie leicht und vielleicht selbst mit Vorteil durch Bilder ersetzen, aber die Schwierigkeiten erwarten Sie bei der Darstellung aller abstrakten Worte und aller Redeteile, die Denkbeziehungen anzeigen wie der Partikeln, Konjunktionen u.  dgl. Bei den abstrakten Worten werden Sie sich durch allerlei Kunstgriffe helfen können. Sie werden z.  B. bemüht sein, den Text des Artikels in anderen Wortlaut umzusetzen, der vielleicht ungewohnter klingt, aber mehr konkrete und der Darstellung fähige Bestandteile enthält. Dann werden Sie sich erinnern, daß die meisten abstrakten Worte abgeblaßte konkrete sind, und werden darum, so oft Sie können, auf die ursprüngliche konkrete Bedeutung dieser Worte zurückgreifen. Sie werden also froh sein, daß Sie ein »Besitzen« eines Objekts als ein wirkliches körperliches Daraufsitzen darstellen können. So macht es auch die Traumarbeit. Große Ansprüche an die Genauigkeit der Darstellung werden Sie unter solchen Umständen kaum machen können. Sie werden es also auch der Traumarbeit hingehen lassen, daß sie z.  B. ein so schwer bildlich zu bewältigendes Element wie Ehebruch durch einen anderen Bruch, einen Beinbruch, ersetzt[10]. Auf solche Weise werden Sie es dazu bringen, die Ungeschicklichkeiten der Bilderschrift, wenn sie die Buchstabenschrift ersetzen soll, einigermaßen auszugleichen. Bei der Darstellung der Redeteile, welche Denkrelationen anzeigen, des »weil, darum, aber« usw., haben Sie keine derartigen Hilfsmittel; diese Bestandteile des Textes werden also für ihre Umsetzung in Bilder verlorengehen. Ebenso wird durch die Traumarbeit der Inhalt der Traumgedanken in sein Rohmaterial von Objekten und Tätigkeiten aufgelöst. Sie können zufrieden sein, wenn sich Ihnen die Möglichkeit ergibt, gewisse an sich nicht darstellbare Relationen in der feineren Ausprägung der Bilder irgendwie anzudeuten. Ganz so gelingt es der Traumarbeit, manches vom Inhalt der latenten Traumgedanken in formalen Eigentümlichkeiten des manifesten Traumes auszudrücken, in der Klarheit oder Dunkelheit desselben, in seiner Zerteilung in mehrere Stücke u.  ä. Die Anzahl der Partialträume, in welche ein Traum zerlegt ist, korrespondiert in der Regel mit der Anzahl der Hauptthemen, der Gedankenreihen im latenten Traum; ein kurzer Vortraum steht zum nachfolgenden ausführlichen Haupttraum oft in der Beziehung einer Einleitung oder einer Motivierung; ein Nebensatz in den Traumgedanken wird durch einen eingeschalteten Szenenwechsel im manifesten Traum ersetzt usw. Die Form der Träume ist also an sich keineswegs bedeutungslos und fordert selbst zur Deutung heraus. Mehrfache Träume derselben Nacht haben oft die nämliche Bedeutung und zeigen die Bemühung an, einen Reiz von ansteigender Dringlichkeit immer besser zu bewältigen. Im einzelnen Traum selbst kann ein besonders schwieriges Element eine Darstellung durch »Doubletten«, mehrfache Symbole, finden. Bei fortgesetzten Vergleichungen der Traumgedanken mit den sie ersetzenden manifesten Träumen erfahren wir allerlei, worauf wir nicht vorbereitet sein konnten, z.  B. daß auch der Unsinn und die Absurdität der Träume ihre Bedeutung haben. Ja, in diesem Punkte spitzt sich der Gegensatz der medizinischen und der psychoanalytischen Auffassung des Traumes zu einer sonst nicht erreichten Schärfe zu. Nach ersterer ist der Traum unsinnig, weil die träumende Seelentätigkeit jede Kritik eingebüßt hat; nach unserer dagegen wird der Traum dann unsinnig, wenn eine in den Traumgedanken enthaltene Kritik, das Urteil »es ist unsinnig«, zur Darstellung 104
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
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