Page - 116 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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ihnen als Beleg für die Behauptung mit, daß das eigene Ich in jedem Traume vorkommt, auch wo
es sich für den manifesten Inhalt verborgen hat. Die Koffer in den Träumen sind Weibsymbole.
a) Er reist ab, sein Gepäck wird auf einem Wagen zur Bahn gebracht, viele Koffer aufgehäuft,
darunter zwei große schwarze, wie Musterkoffer. Er sagt tröstend zu jemand: Nun, die fahren ja
nur bis zum Bahnhof mit.
Er reist in Wirklichkeit mit sehr viel Gepäck, bringt aber auch sehr viel Geschichten von Frauen
mit in die Behandlung. Die zwei schwarzen Koffer entsprechen zwei schwarzen Frauen, die
gegenwärtig in seinem Leben die Hauptrolle spielen. Eine von ihnen wollte ihm nach Wien
nachreisen; er hatte ihr auf meinen Rat telegraphisch abgesagt.
b) Eine Szene bei der Douane: Ein Mitreisender macht seinen Koffer auf und sagt, gleichgültig
eine Zigarette rauchend: Da ist nichts drin. Der Zollbeamte scheint ihm zu glauben, greift aber
noch einmal hinein und findet etwas ganz besonders Verbotenes. Der Reisende sagt dann
resigniert: Da ist nichts zu machen. Er ist selbst der Reisende, ich der Zollbeamte. Er ist sonst
sehr aufrichtig in seinen Bekenntnissen, hatte sich aber vorgenommen, mir eine neu angeknüpfte
Beziehung zu einer Dame zu verschweigen, weil er mit Recht annehmen konnte, daß sie mir
nicht unbekannt sei. Die peinliche Situation des Überführtwerdens verschiebt er auf eine fremde
Person, so daß er selbst in diesem Traum nicht vorzukommen scheint.
9) Hier ein Beispiel für ein Symbol, das ich noch nicht erwähnt habe:
Er begegnet seiner Schwester in Begleitung von zwei Freundinnen, die selbst Schwestern sind. Er
gibt beiden die Hand, der Schwester aber nicht.
Keine Anknüpfung an eine wirkliche Begebenheit. Seine Gedanken führen ihn vielmehr in eine
Zeit, zu welcher ihm die Beobachtung zu denken gab, daß sich der Busen der Mädchen so spät
entwickelt. Die beiden Schwestern sind also die Brüste, er möchte sie gerne mit der Hand
begreifen, wenn es nur nicht seine Schwester wäre.
10) Hier ein Beispiel für die Todessymbolik im Traum:
Er geht mit zwei Personen, deren Namen er weiß, aber beim Erwachen vergessen hat, über einen
sehr hohen, steilen eisernen Steg. Plötzlich sind die beiden weg und er sieht einen gespenstischen
Mann mit Kappe und im Leinenanzug. Er fragt ihn, ob er der Telegraphenbote sei… Nein. Ob er
der Fuhrmann sei? Nein. Er geht dann weiter, hat noch im Traume große Angst und setzt den
Traum nach dem Erwachen mit der Phantasie fort, daß die eiserne Brücke plötzlich abbricht und
er in den Abgrund stürzt.
Personen, bei denen man betont, daß sie unbekannt sind, daß man ihre Namen vergessen hat, sind
meist sehr nahestehende. Der Träumer hat zwei Geschwister; wenn er diesen beiden den Tod
gewünscht haben sollte, so wäre es nur gerecht, wenn ihn dafür die Todesangst heimsuchte. Zum
Telegraphenboten bemerkt er, daß solche Leute immer Unheilsposten bringen. Es könnte auch
nach der Uniform ein Laternenanzünder gewesen sein, der aber auch die Laternen auslöscht, also
wie der Genius des Todes die Fackel verlöscht. Zum Fuhrmann assoziiert er das Uhlandsche
Gedicht von König Karls Meerfahrt und erinnert an eine gefahrvolle Seefahrt mit zwei Genossen,
auf welcher er die Rolle des Königs im Gedicht spielte. Zur Eisenbrücke fällt ihm ein Unfall der
letzten Zeit ein und die dumme Redensart: Das Leben ist eine Kettenbrück’.
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin