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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Page - 133 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)

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ihren Wurzeln ins Infantile reichende Triebregung. Aber zur Erweckung dieser Schaulust gab die Nachricht vom Tage keinen Anlaß, bloß zum Ärger und zur Reue. Zu den latenten Traumgedanken gehörte diese Wunschregung zunächst nicht, und wir konnten das Ergebnis der Traumdeutung in die Analyse einreihen, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen. Der Ärger war auch an sich nicht traumfähig; ein Traum konnte aus den Gedanken: Es war ein Unsinn, so früh zu heiraten, nicht eher werden, als bis von ihnen aus der alte Wunsch, endlich einmal zu sehen, was beim Heiraten vorgeht, erweckt worden war. Dann formte dieser Wunsch den Trauminhalt, indem er das Heiraten durch Ins-Theater-Gehen ersetzte, und gab ihm die Form einer früheren Wunscherfüllung: So, ich darf ins Theater gehen und alles Verbotene ansehen und du darfst es nicht; ich bin verheiratet und du mußt warten. Auf solche Weise wurde die gegenwärtige Situation in ihr Gegenteil verwandelt, ein alter Triumph an die Stelle der rezenten Niederlage gesetzt. Nebenbei eine Schaulustbefriedigung mit einer egoistischen Konkurrenzbefriedigung verquickt. Diese Befriedigung bestimmt nun den manifesten Trauminhalt, in dem es wirklich heißt, daß sie im Theater sitzt, während die Freundin nicht Einlaß finden konnte. Als unpassende und unverständliche Modifikation sind dieser Befriedigungssituation jene Stücke des Trauminhalts aufgesetzt, hinter welchen sich die latenten Traumgedanken noch verbergen. Die Traumdeutung hat von allem abzusehen, was zur Darstellung der Wunscherfüllung dient, und aus jenen Andeutungen die peinlichen latenten Traumgedanken wiederherzustellen. Die eine Betrachtung, die ich vorbringen will, soll Ihre Aufmerksamkeit auf die jetzt in den Vordergrund gerückten latenten Traumgedanken einstellen. Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, daß sie erstens dem Träumer unbewußt, zweitens vollkommen verständig und zusammenhängend sind, so daß sie sich als begreifliche Reaktionen auf den Traumanlaß verstehen lassen, drittens, daß sie den Wert einer beliebigen seelischen Regung oder intellektuellen Operation haben können. Ich werde diese Gedanken jetzt strenger als vorhin »Tagesreste« heißen, der Träumer mag sich zu ihnen bekennen oder nicht. Ich sondere jetzt Tagesreste und latente Traumgedanken, indem ich im Einklang mit unserem früheren Gebrauch als latente Traumgedanken alles bezeichne, was wir bei der Deutung des Traumes erfahren, während die Tagesreste nur ein Teil der latenten Traumgedanken sind. Dann geht unsere Auffassung eben dahin, zu den Tagesresten ist etwas hinzugekommen, etwas, was auch dem Unbewußten angehörte, eine starke, aber verdrängte Wunschregung, und diese allein ist es, die die Traumbildung ermöglicht hat. Die Einwirkung dieser Wunschregung auf die Tagesreste schafft den weiteren Anteil der latenten Traumgedanken, jenen, der nicht mehr rationell und aus dem Wachleben begreiflich erscheinen muß. Für das Verhältnis der Tagesreste zu dem unbewußten Wunsch habe ich mich eines Vergleiches bedient, den ich hier nur wiederholen kann. Bei jeder Unternehmung bedarf es eines Kapitalisten, der den Aufwand bestreitet, und eines Unternehmers, der die Idee hat und sie auszuführen versteht. Die Rolle des Kapitalisten spielt für die Traumbildung immer nur der unbewußte Wunsch; er gibt die psychische Energie für die Traumbildung ab; der Unternehmer ist der Tagesrest, der über die Verwendung dieses Aufwandes entscheidet. Nun kann der Kapitalist selbst die Idee und die Sachkenntnis haben oder der Unternehmer selbst Kapital besitzen. Das vereinfacht die praktische Situation, erschwert aber ihr theoretisches Verständnis. In der Volkswirtschaft wird man immer wieder die eine Person in ihre beiden Aspekte als Kapitalist und als Unternehmer zerlegen und somit die Grundsituation, von der unser Vergleich ausgegangen ist, wiederherstellen. Bei der Traumbildung kommen dieselben Variationen vor, deren weitere Verfolgung ich Ihnen überlasse. 133
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Title
Schriften von Sigmund Freud
Subtitle
(1856–1939)
Author
Sigmund Freud
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
21.6 x 28.0 cm
Pages
2789
Keywords
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Categories
Geisteswissenschaften
Medizin
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