Page - 164 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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dasselbe in anderen Ausdrucksweisen wiederhole.
Die Symptombildung ist ein Ersatz für etwas anderes, was unterblieben ist. Gewisse seelische
Vorgänge hätten sich normalerweise so weit entwickeln sollen, daß das Bewußtsein Kunde von
ihnen erhielte. Das ist nicht geschehen, und dafür ist aus den unterbrochenen, irgendwie gestörten
Vorgängen, die unbewußt bleiben mußten, das Symptom hervorgegangen. Es ist also etwas wie
eine Vertauschung vorgefallen; wenn es gelingt, diese rückgängig zu machen, hat die Therapie
der neurotischen Symptome ihre Aufgabe gelöst.
Der Breuersche Fund ist noch heute die Grundlage der psychoanalytischen Therapie. Der Satz,
daß die Symptome verschwinden, wenn man ihre unbewußten Vorbedingungen bewußtgemacht
hat, ist durch alle weitere Forschung bestätigt worden, obgleich man den merkwürdigsten und
unerwartetsten Komplikationen begegnet, wenn man den Versuch seiner praktischen
Durchführung unternimmt. Unsere Therapie wirkt dadurch, daß sie Unbewußtes in Bewußtes
verwandelt, und wirkt nur, insoweit sie in die Lage kommt, diese Verwandlung durchzusetzen.
Nun rasch eine kleine Abschweifung, damit Sie nicht in die Gefahr kommen, sich diese
therapeutische Arbeit als zu leicht vorzustellen. Nach unseren bisherigen Ausführungen wäre ja
die Neurose die Folge einer Art von Unwissenheit, des Nichtwissens um seelische Vorgänge, von
denen man wissen sollte. Das würde eine starke Annäherung an bekannte sokratische Lehren
sein, denen zufolge selbst die Laster auf einer Unwissenheit beruhen. Nun wird es dem in der
Analyse erfahrenen Arzt in der Regel sehr leicht zu erraten, welche seelische Regungen bei dem
einzelnen Kranken unbewußt geblieben sind. Es dürfte ihm also auch nicht schwerfallen, den
Kranken herzustellen, indem er ihn durch Mitteilung seines Wissens von seiner eigenen
Unwissenheit befreit. Wenigstens der eine Anteil des unbewußten Sinnes der Symptome wäre auf
diese Weise leicht erledigt, vom anderen, vom Zusammenhang der Symptome mit den
Erlebnissen des Kranken kann der Arzt freilich nicht viel erraten, denn er kennt diese Erlebnisse
nicht, er muß warten, bis der Kranke sie erinnert und ihm erzählt. Aber auch dafür ließe sich in
manchen Fällen ein Ersatz finden. Man kann sich bei den Angehörigen des Kranken nach dessen
Erlebnissen erkundigen, und diese werden häufig in der Lage sein, die traumatisch wirksamen
unter ihnen zu erkennen, vielleicht sogar solche Erlebnisse mitzuteilen, von denen der Kranke
nichts weiß, weil sie in sehr frühe Jahre seines Lebens gefallen sind. Durch eine Vereinigung
dieser beiden Verfahren hätte man also Aussicht, der pathogenen Unwissenheit des Kranken in
kurzer Zeit und mit geringer Mühe abzuhelfen.
Ja, wenn das so ginge! Wir haben da Erfahrungen gemacht, auf welche wir anfangs nicht
vorbereitet waren. Wissen und Wissen ist nicht dasselbe; es gibt verschiedene Arten von Wissen,
die psychologisch gar nicht gleichwertig sind. Il y a fagots et fagots, heißt es einmal bei Molière.
Das Wissen des Arztes ist nicht dasselbe wie das des Kranken und kann nicht dieselben
Wirkungen äußern. Wenn der Arzt sein Wissen durch Mitteilung auf den Kranken überträgt, so
hat dies keinen Erfolg. Nein, es wäre unrichtig, es so zu sagen. Es hat nicht den Erfolg, die
Symptome aufzuheben, sondern den anderen, die Analyse in Gang zu bringen, wovon
Äußerungen des Widerspruches häufig die ersten Anzeichen sind. Der Kranke weiß dann etwas,
was er bisher nicht gewußt hat, den Sinn seines Symptoms, und er weiß ihn doch ebensowenig
wie vorhin. Wir erfahren so, es gibt mehr als eine Art von Unwissenheit. Es wird eine gewisse
Vertiefung unserer psychologischen Kenntnisse dazugehören, um uns zu zeigen, worin die
Unterschiede bestehen. Aber unser Satz, daß die Symptome mit dem Wissen um ihren Sinn
vergehen, bleibt darum doch richtig. Es kommt nur dazu, daß das Wissen auf einer inneren
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin