Page - 1682 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Image of the Page - 1682 -
Text of the Page - 1682 -
Den ganzen Tag über ist er sehr lustig, fährt Schlitten usw. Erst gegen Abend wird er wieder
verstimmt und scheint sich vor Pferden zu fürchten.
Abends ist der nervöse Anfall und das Bedürfnis nach Schmeicheln schwächer als an früheren
Tagen. Am nächsten Tage wird er von der Mama in die Stadt mitgenommen, hat auf der Gasse
große Furcht. Tags darauf bleibt er zu Hause und ist sehr lustig. Am nächsten Morgen kommt er
gegen 6 Uhr ängstlich auf. Auf die Frage, was er habe, erzählt er: »Ich habe den Finger ganz
wenig zum Wiwimacher gegeben. Da hab’ ich die Mammi ganz nackt im Hemde gesehen und sie
hat den Wiwimacher sehen lassen. Ich hab’ der Grete[13], meiner Grete, gezeigt, was die Mama
macht, und hab’ ihr meinen Wiwimacher gezeigt. Dann hab’ ich die Hand schnell vom
Wiwimacher weggegeben.« Auf meinen Einwand, es kann nur heißen: im Hemd oder ganz nackt,
sagt Hans: »Sie war im Hemd, aber das Hemd war so kurz, daß ich den Wiwimacher gesehen
hab’.«
Das ganze ist kein Traum, sondern eine, übrigens einem Traume äquivalente Onanierphantasie.
Was er die Mama tun läßt, dient offenbar zu seiner Rechtfertigung: »Wenn die Mammi den
Wiwimacher zeigt, darf ich es auch.«
Wir können aus dieser Phantasie zweierlei ersehen, erstens, daß der Verweis der Mutter seinerzeit
eine starke Wirkung auf ihn geübt hat, zweitens, daß die Aufklärung, Frauen hätten keinen
Wiwimacher, von ihm zunächst nicht akzeptiert wird. Er bedauert es, daß es so sein soll, und hält
in der Phantasie an ihm fest. Vielleicht hat er auch seine Gründe, dem Vater fürs erste den
Glauben zu versagen.
Wochenbericht des Vaters:
Geehrter Herr Professor! Anbei folgt die Fortsetzung der Geschichte unseres Hans, ein ganz
interessantes Stück. Vielleicht werde ich mir erlauben, Sie Montag in der Ordination aufzusuchen
und womöglich Hans mitbringen – vorausgesetzt, daß er geht. Ich hab’ ihn heute gefragt: »Willst
du Montag mit mir zu dem Professor gehen, der dir die Dummheit wegnehmen kann?«
Er: »Nein.«
Ich: »Aber er hat ein sehr schönes Mäderl.« – Darauf hat er bereitwillig und freudig zugestimmt.
Sonntag, 22. März. Um das Sonntagsprogramm zu erweitern, schlage ich Hans vor, zuerst nach
Schönbrunn zu fahren und erst mittags von dort nach Lainz. Er hat also nicht bloß den Weg von
der Wohnung zur Stadtbahnstation Hauptzollamt zu Fuß zurückzulegen, sondern auch von der
Station Hietzing nach Schönbrunn und von dort wieder zur Dampftramwaystation Hietzing, was
er auch absolviert, indem er, wenn Pferde kommen, eiligst wegschaut, da ihm offenbar ängstlich
zumute ist. Mit dem Wegschauen befolgt er einen Rat der Mama.
In Schönbrunn zeigt er Furcht vor Tieren, die er sonst furchtlos angesehen hat. So will er in das
Haus, in dem sich die Giraffe befindet, absolut nicht hinein, will auch zum Elefanten nicht, der
ihm sonst viel Spaß gemacht hat. Er fürchtet sich vor allen großen Tieren, während er sich bei
den kleinen sehr unterhält. Unter den Vögeln fürchtet er diesmal auch den Pelikan, was er früher
nie getan hat, offenbar auch wegen seiner Größe.
Ich sage ihm daraufhin: »Weißt du, warum du dich vor den großen Tieren fürchtest? Große Tiere
1682
back to the
book Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)"
Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin