Page - 2663 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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[67] Obwohl Weismann (1892) auch diesen Vorteil leugnet: »Die Befruchtung bedeutet
keinesfalls eine Verjüngung oder Erneuerung des Lebens, sie wäre durchaus nicht notwendig zur
Fortdauer des Lebens, sie ist nichts als eine Einrichtung, um die Vermischung zweier
verschiedener Vererbungstendenzen möglich zu machen.« Als Wirkung einer solchen
Vermischung betrachtet er aber doch eine Steigerung der Variabilität der Lebewesen.
[68] Übersetzung von U. v. Wilamowitz-Moellendorff (Platon, I, S. 366 f.).
[69] Prof. Heinrich Gomperz (Wien) verdanke ich die nachstehenden Andeutungen über die
Herkunft des Platonischen Mythus, die ich zum Teil in seinen Worten wiedergebe: Ich möchte
darauf aufmerksam machen, daß sich wesentlich dieselbe Theorie auch schon in den
Upanishaden findet. Denn Bribad-Āranyaka-Upanishad, I, 4, 3 (Deussen, 60 Upamshads des
Veda, S. 593), wo das Hervorgehen der Welt aus dem Ātman (dem Selbst oder Ich) geschildert
wird, heißt es: » … Aber er (der Ātman, das Selbst oder das Ich) hatte auch keine Freude; darum
hat einer keine Freude, wenn er allein ist. Da begehrte er nach einem Zweiten. Nämlich er war so
groß wie ein Weib und ein Mann, wenn sie sich umschlungen halten. Dieses sein Selbst zerfällte
er in zwei Teile: daraus entstanden Gatte und Gattin. Darum ist dieser Leib an dem Selbst
gleichsam eine Halbscheid, so nämlich hat es Yājñavalkya erklärt. Darum wird dieser leere Raum
hier durch das Weib ausgefüllt.«
Die Brihad-Āranyaka-Upanishad ist die älteste aller Upanishaden und wird wohl von keinem
urteilsfähigen Forscher später angesetzt als etwa um das Jahr 800 v. Chr. Die Frage, ob eine,
wenn auch nur mittelbare Abhängigkeit Platos von diesen indischen Gedanken möglich wäre,
möchte ich im Gegensatz zur herrschenden Meinung nicht unbedingt verneinen, da eine solche
Möglichkeit wohl auch für die Seelenwanderungslehre nicht geradezu in Abrede gestellt werden
kann. Eine solche, zunächst durch Pythagoreer vermittelte Abhängigkeit würde dem
gedanklichen Zusammentreffen kaum etwas von seiner Bedeutsamkeit nehmen, da Plato eine
derartige ihm irgendwie aus orientalischer Überlieferung zugetragene Geschichte sich nicht zu
eigen gemacht, geschweige denn ihr eine so bedeutsame Stellung angewiesen hätte, hätte sie ihm
nicht selbst als wahrheitshältig eingeleuchtet.
In einem Aufsatz von K. Ziegler, ›Menschen- und Weltenwerden‹ (1913), der sich planmäßig mit
der Erforschung des fraglichen Gedankens vor Plato beschäftigt, wird dieser auf babylonische
Vorstellungen zurückgeführt.
[72] Anschließend hier einige Worte zur Klärung unserer Namengebung, die im Laufe dieser
Erörterungen eine gewisse Entwicklung durchgemacht hat. Was »Sexualtriebe« sind, wußten wir
aus ihrer Beziehung zu den Geschlechtern und zur Fortpflanzungsfunktion. Wir behielten dann
diesen Namen bei, als wir durch die Ergebnisse der Psychoanalyse genötigt waren, deren
Beziehung zur Fortpflanzung zu lockern. Mit der Aufstellung der narzißtischen Libido und der
Ausdehnung des Libidobegriffes auf die einzelne Zelle wandelte sich uns der Sexualtrieb zum
Eros, der die Teile der lebenden Substanz zueinanderzudrängen und zusammenzuhalten sucht,
und die gemeinhin so genannten Sexualtriebe erschienen als der dem Objekt zugewandte Anteil
dieses Eros. Die Spekulation läßt dann diesen Eros vom Anfang des Lebens an wirken und als
»Lebenstrieb« in Gegensatz zum »Todestrieb« treten, der durch die Belebung des Anorganischen
entstanden ist. Sie versucht das Rätsel des Lebens durch die Annahme dieser beiden von
Uranfang an miteinander ringenden Triebe zu lösen. Unübersichtlicher ist vielleicht die
Wandlung, die der Begriff der »Ichtriebe« erfahren hat. Ursprünglich nannten wir so alle jene
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin