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diesem Besitz gekommen ist. Auch fallen alle diese »frühzeitigen« Sexualeindrücke in die Zeit
nach dem fünften, sechsten Jahr, während die Psychoanalyse daran zweifeln läßt, ob sich
pathologische Fixierungen so spät neubilden können. Der wirkliche Sachverhalt ist der, daß
hinter der ersten Erinnerung an das Auftreten des Fetisch eine untergegangene und vergessene
Phase der Sexualentwicklung liegt, die durch den Fetisch wie durch eine »Deckerinnerung«
vertreten wird, deren Rest und Niederschlag der Fetisch also darstellt. Die Wendung dieser in die
ersten Kindheitsjahre fallenden Phase zum Fetischismus sowie die Auswahl des Fetisch selbst
sind konstitutionell determiniert.
[18] Dementsprechend der Schuh oder Pantoffel Symbol des weiblichen Genitales.
[19] Die Psychoanalyse hat eine der noch vorhandenen Lücken im Verständnis des Fetischismus
ausgefüllt, indem sie auf die Bedeutung einer durch Verdrängung verlorengegangenen
koprophilen Riechlust für die Auswahl des Fetisch hinwies. Fuß und Haar sind stark riechende
Objekte, die nach dem Verzicht auf die unlustig gewordene Geruchsempfindung zu Fetischen
erhoben werden. In der dem Fußfetischismus entsprechenden Perversion ist demgemäß nur der
schmutzige und übelriechende Fuß das Sexualobjekt. Ein anderer Beitrag zur Aufklärung der
fetischistischen Bevorzugung des Fußes ergibt sich aus den infantilen Sexualtheorien. (S. u.) Der
Fuß ersetzt den schwer vermißten Penis des Weibes. – In manchen Fällen von Fußfetischismus
ließ sich zeigen, daß der ursprünglich auf das Genitale gerichtete Schautrieb, der seinem Objekt
von unten her nahe kommen wollte, durch Verbot und Verdrängung auf dem Wege aufgehalten
wurde und darum Fuß oder Schuh als Fetisch festhielt. Das weibliche Genitale wurde dabei, der
infantilen Erwartung entsprechend, als ein männliches vorgestellt.
[20] Es scheint mir unzweifelhaft, daß der Begriff des »Schönen« auf dem Boden der
Sexualerregung wurzelt und ursprünglich das sexuell Reizende (»die Reize«) bedeutet. Es steht
im Zusammenhange damit, daß wir die Genitalien selbst, deren Anblick die stärkste sexuelle
Erregung hervorruft, eigentlich niemals »schön« finden können.
[21] Der Analyse enthüllt diese Perversion – sowie die meisten anderen – eine unerwartete
Vielfältigkeit ihrer Motive und Bedeutungen. Der Exhibitionszwang zum Beispiel ist auch stark
abhängig vom Kastrationskomplex; er betont immer wieder die Integrität des eigenen
(männlichen) Genitales und wiederholt die infantile Befriedigung über das Fehlen des Gliedes im
weiblichen.
[22] Spätere Überlegungen, die sich auf bestimmte Annahmen über die Struktur des seelischen
Apparates und über die in ihm wirksamen Triebarten stützen konnten, haben mein Urteil über den
Masochismus weitgehend verändert. Ich wurde dazu geführt, einen primären – erogenen –
Masochismus anzuerkennen, aus dem sich zwei spätere Formen, der feminine und der moralische
Masochismus, entwickeln. Durch Rückwendung des im Leben unverbrauchten Sadismus gegen
die eigene Person entsteht ein sekundärer Masochismus, der sich zum primären hinzuaddiert. (S.
›Das ökonomische Problem des Masochismus‹, 1924 c.)
[23] Vgl. hiezu die spätere Mitteilung über die prägenitalen Phasen der Sexualentwicklung, in
welcher diese Ansicht bestätigt wird.
[24] Aus der zuletzt zitierten Untersuchung leitet sich für das Gegensatzpaar
Sadismus–Masochismus eine auf den Triebursprung begründete Sonderstellung ab, durch welche
es aus der Reihe der anderen »Perversionen« herausgehoben wird.
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin