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[25] Anstatt vieler Belege für diese Behauptung zitiere ich nur die eine Stelle aus Havelock Ellis
(1903): »Alle bekannten Fälle von Sadismus und Masochismus, selbst die von v. Krafft-Ebing
zitierten, zeigen beständig (wie schon Colin, Scott und Féré nachgewiesen) Spuren beider
Gruppen von Erscheinungen an ein und demselben Individuum.«
[26] Vgl. die spätere Erwähnung der »Ambivalenz«.
[27] Man muß diese die Sexualentwicklung eindämmenden Mächte – Ekel, Scham und Moralität
– andererseits auch als historische Niederschläge der äußeren Hemmungen ansehen, welche der
Sexualtrieb in der Psychogenese der Menschheit erfahren hat. Man macht die Beobachtung, daß
sie in der Entwicklung des einzelnen zu ihrer Zeit wie spontan auf die Winke der Erziehung und
Beeinflussung hin auftreten.
[28] Ich bemerke vorgreifend über die Entstehung der Perversionen, daß man Grund hat
anzunehmen, es sei vor der Fixierung derselben, ganz ähnlich wie beim Fetischismus, ein Ansatz
normaler Sexualentwicklung vorhanden gewesen. Die analytische Untersuchung hat bisher in
einzelnen Fällen zeigen können, daß auch die Perversion der Rückstand einer Entwicklung zum
Ödipuskomplex ist, nach dessen Verdrängung die der Anlage nach stärkste Komponente des
Sexualtriebes wieder hervorgetreten ist.
[29] Es ist nur eine Vervollständigung und nicht eine Verringerung dieser Aussage, wenn ich sie
dahin abändere: Die nervösen Symptome beruhen einerseits auf dem Anspruch der libidinösen
Triebe, andererseits auf dem Einspruch des Ichs, der Reaktion gegen dieselben.
[30] Studien über Hysterie, 1895. (Breuer und Freud.) J. Breuer sagt von seiner Patientin, an der
er die kathartische Methode zuerst geübt hat: »Das sexuale Moment war erstaunlich
unentwickelt.«
[31] Die klar bewußten Phantasien der Perversen, die unter günstigen Umständen in
Veranstaltungen umgesetzt werden, die in feindlichem Sinne auf andere projizierten
Wahnbefürchtungen der Paranoiker und die unbewußten Phantasien der Hysteriker, die man
durch Psychoanalyse hinter ihren Symptomen aufdeckt, fallen inhaltlich bis in einzelne Details
zusammen.
[32] Psychoneurose vergesellschaftet sich auch sehr oft mit manifester Inversion, wobei die
heterosexuelle Strömung der vollen Unterdrückung zum Opfer gefallen ist. – Ich lasse nur einer
mir zuteil gewordenen Anregung Recht widerfahren, wenn ich mitteile, daß erst private
Äußerungen von W. Fließ in Berlin mich auf die notwendige Allgemeinheit der
Inversionsneigung bei den Psychoneurotikern aufmerksam gemacht haben, nachdem ich diese in
einzelnen Fällen aufgedeckt hatte. – Diese nicht genug gewürdigte Tatsache müßte alle Theorien
der Homosexualität entscheidend beeinflussen.
[33] Die Trieblehre ist das bedeutsamste, aber auch das unfertigste Stück der psychoanalytischen
Theorie. In meinen späteren Arbeiten (Jenseits des Lustprinzips, 1920 g, Das Ich und das Es,
1923 b) habe ich weitere Beiträge zur Trieblehre entwickelt.
[34] Es ist nicht leicht, diese Annahmen, die aus dem Studium einer bestimmten Klasse von
neurotischen Erkrankungen geschöpft sind, hier zu rechtfertigen. Andererseits wird es aber
unmöglich, etwas Stichhältiges über die Triebe auszusagen, wenn man sich die Erwähnung dieser
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin