Page - 2699 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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[18] Vgl. über denselben die Analyse des zweiten Traumes.
[19] Diese Kur und somit meine Einsicht in die Verkettungen der Krankengeschichte ist, wie ich
bereits mitgeteilt habe, ein Bruchstück geblieben. Ich kann darum über manche Punkte keinen
Aufschluß geben oder nur Andeutungen und Vermutungen verwerten. Als dieser Brief in einer
Sitzung zur Sprache kam, fragte das Mädchen wie erstaunt: »Wie haben sie den Brief nur
gefunden? Er war doch in meinem Schreibtische eingeschlossen.« Da sie aber wußte, daß die
Eltern diesen Entwurf zu einem Abschiedsbrief gelesen hatten, so schließe ich, daß sie ihnen
denselben selbst in die Hände gespielt.
[20] Ich glaube, daß in diesem Anfalle auch Krämpfe und Delirien zu beobachten waren. Da aber
die Analyse auch zu diesem Ereignis nicht vorgedrungen ist, verfüge ich über keine gesicherte
Erinnerung hierüber.
[21] Hier ein Beispiel fürs letztere. Einer meiner Wiener Kollegen, dessen Überzeugung von der
Belanglosigkeit sexueller Momente für die Hysterie durch solche Erfahrungen wahrscheinlich
sehr gefestigt worden ist, entschloß sich bei einem 14jährigen Mädchen mit bedrohlichem
hysterischen Erbrechen zur peinlichen Frage, ob sie vielleicht gar eine Liebesbeziehung gehabt
hätte. Das Kind antwortete: Nein, wahrscheinlich mit gut gespieltem Erstaunen, und erzählte in
seiner respektlosen Weise der Mutter: Denk' dir, der dumme Kerl hat mich gar gefragt, ob ich
verliebt bin. Es kam dann in meine Behandlung und enthüllte sich – freilich nicht gleich bei der
ersten Unterredung – als eine langjährige Masturbantin mit starkem fluor albus (der viel Bezug
auf das Erbrechen hatte), die sich endlich selbst entwöhnt hatte, in der Abstinenz aber von dem
heftigsten Schuldgefühl gepeinigt wurde, so daß sie alle Unfälle, welche die Familie betrafen, als
göttliche Strafe für ihre Versündigung ansah. Außerdem stand sie unter dem Einflüsse des
Romans ihrer Tante, deren uneheliche Gravidität (mit zweiter Determination für das Erbrechen)
ihr angeblich glücklich verheimlicht worden war. Sie galt als ein »ganzes Kind«, erwies sich aber
als eingeweiht in alles Wesentliche der sexuellen Beziehungen.
[22] Ich bin über diese Theorie hinausgegangen, ohne sie aufzugeben, d. h. ich erkläre sie heute
nicht für unrichtig, sondern für unvollständig. Aufgegeben habe ich bloß die Betonung des
sogenannten hypnoiden Zustandes, der aus Anlaß des Traumas bei dem Kranken auftreten und
die Begründung für das weitere psychologisch abnorme Geschehen auf sich nehmen soll. Wenn
es bei gemeinsamer Arbeit gestattet ist, nachträglich eine Eigentumsscheidung vorzunehmen, so
möchte ich hier doch aussagen, daß die Aufstellung der »hypnoiden Zustände«, in welcher dann
manche Referenten den Kern unserer Arbeit erkennen wollten, der ausschließlichen Initiative
Breuers entsprungen ist. Ich halte es für überflüssig und irreleitend, die Kontinuität des Problems,
worin der psychische Vorgang bei der hysterischen Symptombildung bestehe, durch diese
Namengebung zu unterbrechen.
[23] Vgl. meine Abhandlung: ›Zur Ätiologie der Hysterie‹ (1896).
[24] Die Würdigung dieser Umstände wird durch eine spätere Aufklärung erleichtert werden.
[25] Akzidentelle Ursachen hatte der Ekel Doras bei diesem Kusse sicherlich nicht, diese wären
unfehlbar erinnert und erwähnt worden. Ich kenne zufällig Herrn K.; es ist dieselbe Person, die
den Vater der Patientin zu mir begleitet hat, ein noch jugendlicher Mann von einnehmendem
Äußern.
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin