Page - 2788 - in Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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unzweideutigen Worten reden könnte. Solche Probleme sind: die Abgrenzung der Introversion
und der Regression gegeneinander, die Einfügung der Komplexlehre in die Libidotheorie, die
Beziehungen des Phantasierens zum Bewußten und Unbewußten wie zur Realität u. a. Es bedarf
keiner Entschuldigung, wenn ich an dieser Stelle diesen Versuchungen widerstanden habe.
[11] Woraus man aber nicht allgemein auf eine besondere pathogene Bedeutsamkeit des zum
Übertragungswiderstand gewählten Elementes schließen darf. Wenn in einer Schlacht um den
Besitz eines gewissen Kirchleins oder eines einzelnen Gehöfts mit besonderer Erbitterung
gestritten wird, braucht man nicht anzunehmen, daß die Kirche etwa ein Nationalheiligtum sei
oder daß das Haus den Armeeschatz berge. Der Wert der Objekte kann ein bloß taktischer sein,
vielleicht nur in dieser einen Schlacht zur Geltung kommen.
[12] E. Bleuler (1911). – Vortrag über Ambivalenz in Bern 1910, referiert im Zentralblatt für
Psychoanalyse, 1, S. 266. – Für die gleichen Phänomene hatte W. Stekel die Bezeichnung »
Bipolarität« vorgeschlagen.
[13] Der Analysierte behauptet oft, eine gewisse Mitteilung bereits früher gemacht zu haben,
während man ihm mit ruhiger Überlegenheit versichern kann, sie erfolge jetzt zum erstenmal. Es
stellt sich dann heraus, daß der Analysierte früher einmal die Intention zu dieser Mitteilung
gehabt hat, an ihrer Ausführung aber durch einen noch bestehenden Widerstand gehindert wurde.
Die Erinnerung an diese Intention ist für ihn ununterscheidbar von der Erinnerung an deren
Ausführung.
[14] ›Über Psychotherapie‹, 1905.
[15] Über das Thema dieser diagnostischen Unsicherheit, über die Chancen der Analyse bei
leichten Formen von Paraphrenie und über die Begründung der Ähnlichkeit beider Affektionen
wäre sehr viel zu sagen, was ich in diesem Zusammenhange nicht ausführen kann. Gern würde
ich nach Jungs Vorgang Hysterie und Zwangsneurose als » Übertragungsneurosen« den
paraphrenischen Affektionen als » Introversionsneurosen« gegenüberstellen, wenn bei diesem
Gebrauch der Begriff der »Introversion« (der Libido) nicht seinem einzig berechtigten Sinne
entfremdet würde.
[16] Über die Erfahrungen mit der ψα Grundregel wäre viel zu sagen. Man trifft gelegentlich auf
Personen, die sich benehmen, als ob sie sich diese Regel selbst gegeben hätten. Andere sündigen
gegen sie von allem Anfang an. Ihre Mitteilung ist in den ersten Stadien der Behandlung
unerläßlich, auch nutzbringend; später unter der Herrschaft der Widerstände versagt der
Gehorsam gegen sie, und für jeden kommt irgend einmal die Zeit, sich über sie hinauszusetzen.
Man muß sich aus seiner Selbstanalyse daran erinnern, wie unwiderstehlich die Versuchung
auftritt, jenen kritischen Vorwänden zur Abweisung von Einfällen nachzugeben. Von der
geringen Wirksamkeit solcher Verträge, wie man sie durch die Aufstellung der ψα Grundregel
mit dem Patienten schließt, kann man sich regelmäßig überzeugen, wenn sich zum erstenmal
etwas Intimes über dritte Personen zur Mitteilung einstellt. Der Patient weiß, daß er alles sagen
soll, aber er macht aus der Diskretion gegen andere eine neue Abhaltung. »Soll ich wirklich alles
sagen? Ich habe geglaubt, das gilt nur für Dinge, die mich selbst betreffen.« Es ist natürlich
unmöglich, eine analytische Behandlung durchzuführen, bei der die Beziehungen des Patienten
zu anderen Personen und seine Gedanken über sie von der Mitteilung ausgenommen sind. Pour
faire une omelette il faut casser des œufs.
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Schriften von Sigmund Freud
(1856–1939)
- Title
- Schriften von Sigmund Freud
- Subtitle
- (1856–1939)
- Author
- Sigmund Freud
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 21.6 x 28.0 cm
- Pages
- 2789
- Keywords
- Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
- Categories
- Geisteswissenschaften
- Medizin