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Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und bewaffneten Konflikten ist also
weder deterministisch noch statistisch leicht nachweisbar. Klimawandel erhöht in
bestimmten Konstellationen das Risiko für bewaffnete Konflikte, aber es liegt auch
dort bei den Beteiligten, ob ein bewaffneter Konflikt eskaliert oder ob kooperative Re-
aktionen angestoßen werden. Konflikte über grenzüberschreitende Wasserressourcen
könnten beispielsweise vermieden werden, indem die Anrainer zusammenarbeiten
und Verträge abschließen. In der jüngeren Vergangenheit hat die Anzahl und Intensi-
tät kooperativer Aktionen in der grenzüberschreitenden Wassernutzung konfliktive
Aktionen deutlich übertroffen → 3 /32. Wo Wasser allerdings als ersatzlose Ressource
gilt, ist der Konflikt über dessen Nutzung ein mögliches Bindeglied zwischen Klima-
wandel und bewaffneten Konflikten. Wasser wird so als Ziel und Waffe von politi-
schen Akteuren genutzt, etwa im Krieg in Syrien (→ Gleick 2019).
KOMPLEXE KRISENKONSTELLATIONEN UND MENSCHLICHE SICHERHEIT
Konflikte sind durch vielfältige Faktoren und Mechanismen mit dem Klimawandel
verbunden, die über Ländergrenzen hinausgehen.
So kann der Klimawandel die Nahrungsmittelversorgung beeinträchtigen, indem er
die Produktivität von Böden, Ackerland, Getreide, Viehhaltung und Fischerei verrin-
gert und zu Ernteverlusten führt. Das treibt die Lebensmittelpreise nach oben und
erhöht die Anfälligkeit für Konflikte. Dies gefährdet die Ernährungssicherheit und den
Lebensunterhalt für Hunderte von Millionen Menschen (→ IPCC 2019). In Ländern,
die stark von der Landwirtschaft oder von Lebensmittelimporten abhängen, können
plötzliche Preisschwankungen als wirtschaftliche und politische Schocks wirken,
die zu Brotprotesten, Hungerrevolten und Gewalt führen. So hat die Erhöhung der
Nahrungsmittelpreise im Gefolge der Dürren in Russland, China und anderen Ländern
im Sommer 2010 zu steigenden Preisen von Grundnahrungsmitteln auf globalisierten
Märkten beigetragen, die ihrerseits ein Auslöser für Aufstände in einer Reihe von
Staaten im Nahen und Mittleren Osten waren (→ Werrell/Femia 2013).
Dürren, Waldbrände, Stürme und Fluten schädigen unmittelbar die Landwirtschaft
und die Lebensgrundlagen vieler Menschen. In Bangladesch (Flut), China (Flut),
Indien (mehrfach, Flut und tropischer Sturm), Iran (Flut), Mosambik (Tropensturm),
Somalia (Dürre), Tansania (Tropensturm) und Zimbabwe (Dürre) waren 2019 jeweils
mehr als eine Million Menschen von wetterbedingten Katastrophen betroffen (siehe
EM-Dat International Disaster Database). Die weltweiten Schäden durch Naturkatas-
trophen lagen nach Angaben der Münchner Rückversicherung 2019 bei etwa 150 Mrd.
US-$. In einigen Fällen führte die Reaktion auf Naturkatastrophen zu Gewaltereignis-
sen, in anderen zum Konfliktabbau durch gemeinsame Problembearbeitung (→ Brzos-
ka 2018, Scheffran 2020). Konflikte sind durch
vielfältige Faktoren
und Mechanismen mit
dem Klimawandel
verbunden F
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friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Title
- Friedensgutachten 2020
- Subtitle
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Size
- 21.0 x 28.5 cm
- Pages
- 162
- Keywords
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Category
- Recht und Politik