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TECHNOLOGISCHE LÖSUNGEN FÜR DIE KLIMAKRISE?
Angesichts steigender globaler Temperaturen und Treibhausgasemissionen werden
Forderungen nach technischen Lösungen des Klimawandels lauter. Unter dem Begriff
Geoengineering werden bewusste, großtechnische Eingriffe in das Klimasystem
diskutiert → 5 /37. Anders als erneuerbare Energien setzen solche Technologien nicht
an den Ursachen von Treibhausgasemissionen an, sondern versuchen, den globalen
Effekt dieser Emissionen technisch einzuhegen. Kritiker sehen deshalb bereits in der
Erforschung solcher Technologien eine Abkehr von politischen Bemühungen, durch
die Reduktion von Treibhausgasen den Klimawandel auf ein verträgliches Maß zu
begrenzen. Andere verweisen auf potenzielle Nebenwirkungen technischer Eingriffe
in das Klimasystem – etwa die ungewollte Veränderung von Niederschlagsmustern in
bestimmten Weltregionen – und damit verbundene Sicherheitsrisiken. Zudem seien
Geoengineering-Technologien ähnlich verwundbar wie andere kritische Infrastruktu-
ren und mithin ein potenzielles Ziel für Terroranschläge oder Angriffe in kriegerischen
Konflikten.
Auch aufgrund solcher Risiken spielt Geoengineering in der offiziellen Klimapolitik
bislang eine untergeordnete Rolle. Dennoch gibt es erste Anzeichen für einen politi-
schen Stimmungswandel, der den Einsatz von Risikotechnologien zur Abmilderung
des Klimawandels wahrscheinlicher macht. So fördern einige Staaten unilaterale
Geoengineering-Forschung. Australien investiert etwa in die Erforschung marinen
Geoengineerings zum Schutz des Great Barrier Reefs. Der US-amerikanische Kon-
gress stellte der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA) im Dezember
2019 vier Mio. US-$ unter anderem für die Erforschung von SRM zur Verfügung. Da-
rüber hinaus argumentieren Forscher, dass man, sollte die internationale Klimapolitik
scheitern, verpflichtet sei, bereits jetzt Alternativen und Ergänzungen zu erforschen.
Sie erhoffen sich dafür stabile rechtliche Rahmenbedingungen.
Eine zentrale Herausforderung ist, dass Geoengineering bisher kaum international
reguliert ist. Nur die sogenannte „Meeresdüngung“, bei der eine Schwefelverbindung
Algenblüten in den Ozeanen anregen und dadurch deren CO2-Absorption erhöhen
soll, ist im Rahmen internationalen Rechts verboten. Darüber hinaus ist Geoengineer-
ing lediglich durch einige Beschlüsse der Unterzeichnerstaaten der Übereinkunft zur
Erhaltung der biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention) begrenzt, die allerdings
rechtlich nicht verbindlich sind.
Die internationale Regulierung von Geoengineering gestaltet sich jedoch schwierig.
Zuletzt scheiterte eine von einer Schweizer Delegation angeführte Initiative im Früh-
jahr 2019 damit, das Umweltprogramm der VN zu verpflichten, ein umfassendes Gut-
achten über Geoengineering und Möglichkeiten der Regulierung zu erstellen. Abge-
lehnt wurde die Initiative unter anderem von Staaten wie Saudi-Arabien und den USA. Geoengineering ist
bisher kaum internati-
onal reguliert
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36 2020 / Friedenspolitik in Zeiten des Klimawandels / FOKUS
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Title
- Friedensgutachten 2020
- Subtitle
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Size
- 21.0 x 28.5 cm
- Pages
- 162
- Keywords
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Category
- Recht und Politik