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Zentrale Minderungsansätze im Gefolge der Klimarahmenkonvention der Vereinten
Nationen (UNFCCC) – der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung, die
Verringerung der Emissionen aus Entwaldung und Degradierung (REDD+) und der
Grüne Klimafonds (GCF – Green Climate Fund) – weisen jedoch deutliche Schwächen
bei der Abstimmung von Klimaschutz, nachhaltiger Entwicklung und Friedensförde-
rung auf. So liefern GCF-Ansätze in der Regel keine Anreize und Vorgaben, um positive
Effekte für nachhaltige Entwicklung oder für Friedensförderung zu erzeugen bzw.
negative Auswirkungen zu verhindern. Zudem konnte aufgrund nationaler Interessen
bislang keine globale Regelung eines CO2-Emissionshandels (Pariser Abkommen, Art. 6)
in Kraft treten. Gleichzeitig entdecken Industriestaaten zunehmend die Entwicklungs-
zusammenarbeit als Hebel, um Staaten des Südens zur Minderung des Ausstoßes von
Treibhausgasen zu konditionieren und sich damit selber von Verpflichtungen zu Redu-
zierungen „freizukaufen“. So ist der Trend zu beobachten, dass Geberländer viele ihrer
Entwicklungsprogramme und -projekte als „Klimamaßnahmen“ umdeklarieren, die
unter dem „Clean-Development-Mechanism“ als nationaler Beitrag zur Minderung von
Treibhausgasen anrechenbar sind (→ Atkins 2018). In der Praxis bedeutet dies, größere
Schutzgebiete auszuweisen und fruchtbare Böden umzunutzen für den exportorientier-
ten Anbau erneuerbarer Energieträger in Entwicklungs- und Schwellenländern (z.B. in
Kenia, Mosambik). Jedoch wirken solche Klimaschutzprojekte oft eher konfliktver-
schärfend, wenn die Marginalisierung von Kleinbauern verstärkt wird, soziale Un-
gleichheiten zunehmen oder es zu Zwangsumsiedlungen kommt. Hierdurch kann es
auch zu einem „Bumerang-Effekt“1 kommen, indem die unerwarteten und unbeabsich-
tigten Folgen solcher Klimaprojekte sich nicht nur für das betroffene Land, sondern
auch für die Geber negativ auswirken (→ Swatuk et al. 2020).
Besonders problematisch ist die Umsetzung von Klimapolitik in fragilen Staaten und
Nachkriegsgesellschaften. Zum einen wird die Erreichung von Klimazielen – d.h. von
Maßnahmen, den Klimawandel zu begrenzen und Gesellschaften an seine Folgen
anzupassen – in der Regel als nachrangig erachtet, da die permanente Gefahr eines
Abgleitens in einen (Bürger-)Krieg die Politik bestimmt. Zum anderen stehen die in der
Regel schwachen Governance-Strukturen in fragilen Staaten einer effizienten Kli-
mapolitik im Wege (→ Ide 2020). Nur wenn Gewaltkonflikte überwunden und effek-
tive Governance-Strukturen geschaffen werden, können diese Länder überhaupt für
die Klimaproblematik sensibilisiert werden. Erst dann sind sie in der Lage, bestimmte
Klimaziele zu erreichen und die Risiken des Klimawandels effektiv zu vermindern.
Zugleich sind es genau diese fragilen Staaten (u.a. Sahelregion, Horn von Afrika, Afgha-
nistan), die am stärksten unter dem Klimawandel leiden werden und daher vor dem
größten Anpassungsdruck stehen. Auswirkungen des Klimawandels beeinträchtigen die
Effektivität friedenserhaltender und -stiftender Maßnahmen (→ Krampe 2019). Frie-
densbemühungen müssen daher klimasensitiver werden, wenn sie Nachhaltigkeit
entfalten sollen. Genau an dieser Schnittstelle gewinnt die ökologische Friedensförde-
rung2 als Feld der Entwicklungspraxis zunehmend an Bedeutung. Sie verbindet den Manche Klimaschutz-
projekte wirken eher
konfliktverschärfend
F
38 2020 / Friedenspolitik in Zeiten des Klimawandels / FOKUS
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Title
- Friedensgutachten 2020
- Subtitle
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Size
- 21.0 x 28.5 cm
- Pages
- 162
- Keywords
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Category
- Recht und Politik