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zögern, Soldaten für Friedenseinsätze bereitzustellen, und könnte andererseits die
Staaten, in denen der Friedenseinsatz stattfinden soll, davon abhalten, einer solchen
Mission zuzustimmen. Der gegenwärtig zu beobachtende Trend zu immer robusteren
Mandaten droht das Konzept der VN-Friedensmissionen zu schwächen.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Angesichts des globalen Konfliktgeschehens beabsichtigt die Bundesregierung, interna-
tional stärker Verantwortung zu übernehmen. Lange hat sich Deutschland bei der Beteili-
gung an VN-Friedensmissionen zurückgehalten. Durch die Mitwirkung an der VN-Mission
in Mali (MINUSMA) und als nicht-ständiges Mitglied im VN-Sicherheitsrat hat sie die Mög-
lichkeit, am Reformprozess der VN-Friedensmissionen mitzuwirken und für eine aktive
Friedenspolitik einzutreten.
Anspruch und Wirklichkeit von VN-Friedensmissionen klaffen zunehmend auseinander.
Während deklaratorisch an den klassischen Prinzipien der Friedenserhaltung (Zustim-
mung des Gastlandes, Unparteilichkeit des Einsatzes, minimale Gewalt) festgehalten wird,
werden zunehmend robuste Mandate erteilt, die häufig die Grenze zur Friedenserzwin-
gung überschreiten. Dadurch droht die Bereitschaft, Friedensmissionen auf dem eigenen
Territorium zuzulassen, ebenso zu schwinden wie die Bereitschaft von Drittstaaten, Solda-
ten für Friedensmissionen bereitzustellen.
Der Schutz von Zivilisten ist – auf politischer Ebene – ins Zentrum einer friedensorien-
tierten Außen- und Sicherheitspolitik gerückt. Seine praktische Umsetzung stößt aber
auf konzeptionelle, organisatorische und finanzielle Probleme. Um das ambitionierte
PoC-Konzept umzusetzen, sind ausreichende Kapazitäten und eine Stärkung der zivi-
len Komponente von Friedensmissionen notwendig. Bei nachträglichen Priorisierungen
von Mandaten muss auf entsprechende Kapazitätserhöhungen geachtet werden, da das
Scheitern des Schutzanspruchs die Legitimität einer Mission und der Vereinten Nationen
als Ganzes in Mitleidenschaft ziehen kann.
Friedensmissionen benötigen mehr Ressourcen, bessere Ausrüstung, klarere Einsatz-
regeln und deutlichere politische Unterstützung. Bei der Beteiligung an humanitären
militärischen Interventionen gibt es häufig bündnis- und innenpolitische Motive. Entschei-
dungen über den Militäreinsatz sollten eher einem strategischen Gesamtkonzept folgen,
das ressortübergreifend abgestimmt ist und militärische, politische und entwicklungspo-
litische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Darüber hinaus sollten die Interventionen
der Bundeswehr regelmäßig vergleichend evaluiert und sichergestellt werden, dass aus
Erfahrungen gelernt wird. friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Title
- Friedensgutachten 2020
- Subtitle
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Size
- 21.0 x 28.5 cm
- Pages
- 162
- Keywords
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Category
- Recht und Politik