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SCHLUSSFOLGERUNGEN
Protestbewegungen bergen ein großes Potenzial für gesellschaftlichen Wandel in sich.
Zielen sie auf eine grundlegende Transformation bestehender Machtstrukturen, kann dies
jedoch auch in Chaos und Gewalt münden. Die Handlungsspielräume externer Akteure
sind hier begrenzt, sie können aber einen Beitrag dazu leisten, Chancen für eine friedliche
Transformation zu steigern und Risiken zu reduzieren.
Die Bundesregierung verfügt über eine Vielzahl von Ansätzen, um den Bedrohungen von
Frieden, Menschenrechten und politischer Teilhabe zu begegnen. Sie sind unter anderem
niedergelegt in den Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“,
den Konzeptpapieren und Leitlinien zu den verschiedenen Weltregionen sowie zu fragilen
Staaten, in ihren Menschenrechtsberichten sowie im Transformations- und im Menschen-
rechtskonzept des BMZ. Es mangelt nicht an Instrumenten, um auf Anti-Regime-Proteste,
aber auch auf andere Arten von Massenprotesten zu reagieren. Zugleich aber sind in den
Dokumenten die konstruktiven und disruptiven Auswirkungen von Protesten nicht syste-
matisch aufgearbeitet. In der Reaktion auf entsprechende Krisen findet sich ein mitunter
widersprüchliches Nebeneinander verschiedener Maßnahmen, die sich selten zu einer
erkennbaren Strategie summieren.
Alles deutet darauf hin, dass die globale Protestdynamik des vergangenen Jahrzehnts
auch in den 2020er Jahren anhalten wird. Die Bundesregierung sollte daher strategische
Leitlinien zum Umgang mit Protestbewegungen entwickeln. Um mehr konzeptionelle
Klarheit und eine höhere Konsistenz praktischer Politik zu erreichen, empfehlen wir der
Bundesregierung, im Dialog mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft bestehende Konzepte
und Leitlinien zu überprüfen und ihr Profil bei der Krisenprävention und Konfliktbearbei-
tung in diesem Feld zu stärken. Wichtig ist dabei stets die Orientierung am Einzelfall, was
entsprechende Kontextanalysen verlangt.
gen gepflegt. Hält man sich die frühere Symbolpolitik zugunsten der Aktivisten des
Arabischen Frühlings vor Augen (z.B. durch den Besuch von Westerwelle auf dem
Tahrir-Platz 2011), so liegt der Vorwurf der moralischen Doppel-Standards nahe. Nor-
mativ schwieriger zu beurteilen ist die Regimestabilisierung im Falle demokratischer
Regime wie in Chile. Hier besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der
Aufrechterhaltung verfassungsmäßiger Ordnungen und dem Einsatz für ein Aufbre-
chen faktisch hochgradig ungleicher Machtstrukturen. friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Title
- Friedensgutachten 2020
- Subtitle
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Size
- 21.0 x 28.5 cm
- Pages
- 162
- Keywords
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Category
- Recht und Politik